zurück zu Aktuelles

Coronavirus: Ultraorthodoxe drohen Regierung mit Kooperationsverweigerung

JERUSALEM, 07.09.2020 (DK) – Das Coronavirus hat Israels ultraorthodoxe Gemeinschaft besonders hart getroffen. Neben arabischen Gemeinden, sind vor Allem streng religiöse Nachbarschaften vom Gesundheitsministerium als epidemiologisch rot designiert worden. Bereits im April wurden ultraorthodoxe Städte wie etwa Bnei Brak von der Polizei komplett abgeriegelt. Die Regierungsanweisungen waren dabei oftmals unbekannt, wurden zum Teil aber auch einfach ignoriert. Anders als der Rest der Bevölkerung, informieren sich ultraorthodoxe Juden nicht über das Internet oder Zeitungen. Als die Regierung von Strenggläubigen bewohnte Gebiete aufgrund der hohen Infektionszahlen abermals zu Sperrzonen erklären wollte, stieß sie nun auf heftigen Widerstand. 

Städtische Behörden drohen in Brief mit Kooperationsverweigerung

Die Behörden betroffener Städte und Gemeinden haben ihrem Ärger in einem Brief an Premierminister Benjamin Netanjahu Luft gemacht. „Die gesamte ultraorthodoxe Bevölkerung wird die Ungerechtigkeit, die ihr angetan wird, nicht vergessen. Wir werden nicht vergessen, wer der Mann ist, der sich immer wieder dazu verpflichtet hat, uns durch selektive Bestrafung von Zehntausenden von Familien zu Krankheitsüberträgern und Feinden des Volkes zu machen.“ Obwohl der Regierungschef dagegen hielt, dass es sich um wissenschaftliche Statistiken handle, stießen seine Worte auf taube Ohren. Im Falle eines Lockdowns, so die lokalen Behörden, würden sie jegliche Kooperation verweigern. 

Israel steckt nun schon seit Jahren in einer tiefen innenpolitischen Krise. Netanjahu ist dabei auf die Unterstützung des ultraorthodoxen Sektors der Gesellschaft dringend angewiesen. Obwohl er Ende vergangener Woche noch auf die Sperrung „roter“ Zonen drängte, vollzog er aufgrund der drohenden Rebellion nun eine Kursänderung. Anstatt des geplanten Lockdowns in 40 Städten des Landes wird lediglich eine abendliche Ausgangssperre verhängt. Sowohl linke als auch rechte Politiker warnen, dass dieser Schritt einen landesweiten Lockdown in wenigen Wochen unvermeidlich macht. 

Expertenschreiben empfiehlt Regierung das schwedische Modell

Derzeit gilt der jüdische Staat als das Land mit den weltweit meisten bestätigten Infektionen pro Kopf. Vergangene Woche lagen die täglichen Fallzahlen bei rund 3000. In einem offenen Brief von 90 israelischen Doktoren und Wissenschaftlern, empfahlen die Experten der Regierung Schwedens Modell einer anvisierten Herdenimmunität zu übernehmen.

Bild: Ultraorthodoxe protestieren gegen Ausreiseverbot an den Pilgerort Uman in der Ukraine. Quelle: Yonatan Sindel/Flash90

Weitere News aus dem Heiligen Land