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Lockdown verlängert: Israel steht länger still

JERUSALEM, 01.10.2020 (TM) – Angesichts anhaltend hoher Infektionen mit dem Coronavirus hat die israelische Regierung beschlossen, den aktuellen strengen Lockdown zu verlängern. Die Schließungen und Stilllegungen, die bis zum 11. Oktober dauern sollten, werden zunächst bis zum 14. Oktober ausgedehnt. Danach werde es einen schrittweisen und langsamen Ausstieg aus den Beschränkungen geben, erläuterte Regierungschef Benjamin Netanjahu. Es könne „sechs Monate bis zu einem Jahr“ dauern, bis die Maßnahmen komplett aufgehoben werden. Man werde die Fehler nicht wiederholen, die nach dem ersten Lockdown im März gemacht wurden. Da habe man zu schnell gelockert, woraufhin die Infektionszahlen stark stiegen.

Strengere Strafen und Demo-Einschränkungen

Die Regierung genehmigte strengere Strafen bei Verstößen gegen die Corona-Regeln. So ist es beispielsweise verboten, beim morgen beginnenden Laubhüttenfest eine Hütte („Sukkah“) von fremden Personen zu besuchen. Wer dort erwischt wird, muss 500 Schekel (124 Euro) Strafe zahlen. Die Ministerrunde beschloss zudem, gegen die Massendemonstrationen vorzugehen, die es seit Monaten regelmäßig im ganzen Land gibt. Vorübergehend sollen die Israelis nur noch im Umkreis von einem Kilometer zu ihrer Wohnung demonstrieren dürfen, in Gruppen von höchstens 20 Personen. Diese Regelung ist hoch umstritten. Die Opposition kritisiert, Regierungschef Netanjahu nutze Corona als Vorwand, um die Demos gegen ihn und seine Politik einzudämmen. Am Donnerstagabend zogen mehrere Hundert Demonstranten durch die Straßen von Tel Aviv und protestierten gegen die neuen Einschränkungen.

Ultraorthodoxe besonders betroffen

Besondere Sorgen macht den Verantwortlichen im Gesundheitsministerium die dramatische Entwicklung in ultraorthodoxen Wohngebieten. Der oberste Coronavirus-Manager in Israel, Professor Ronni Gamzu, gab bekannt, dass die Strenggläubigen 2,5 Mal häufiger positiv getestet werden als die übrige Bevölkerung. Einer der Faktoren, von denen angenommen wird, dass sie zum jüngsten Ausbruch geführt haben, war die Wiedereröffnung von jüdischen Bibelschulen und religiösen Seminaren für Zehntausende von Studenten Mitte August. Der TV-Sender Channel 12 präsentierte Zahlen, wonach die meisten Fälle in ultraorthodoxen Städten bei jungen Männern zwischen 17 und 24 Jahren auftreten, gefolgt von ihren jüngeren Kollegen zwischen 10 und 16 Jahren.

Ein ultraorthodoxer Mann inmitten von Palmwedeln, die für das Laubhüttenfest verkauft werden. Foto: Olivier Fitoussi / Flash 90

Die nationale religiöse Nachrichtenseite Srugim berichtete, dass Tausende von Ultraorthodoxen nun nach Hause zurückkehrten, nachdem sie Yom Kippur trotz Verbots in Gruppengebeten mit Hunderten von Teilnehmern verbracht hatten. In einer Synagoge in der Innenstadt von Modiin Illit stieß die Polizei auf Dutzende von Gläubigen, die zusammen ohne Maske beteten und die Vorschriften zur sozialen Distanz missachteten. Laut Professor Gamzu sind 34 % der in Israel mit dem Virus diagnostizierten Personen ultraorthodox, obwohl die Gemeinschaft nur ungefähr 12 % der Bevölkerung ausmacht.

Neuer Infektions-Rekord

Am Donnerstag meldete das Gesundheitsministerium eine neue Rekordzahl an Coronavirus-Infektionen mit 8919 Fällen. In den vergangen 24 Stunden starben 43 Infizierte. In ernstem Zustand befinden sich den Angaben zufolge 810 Patienten, von denen 206 künstlich beatmet werden müssen. Gesundheitsexperten hatten zuvor gewarnt, dass das israelische Gesundheitswesen überlastet werde, wenn die Zahl der kritisch Erkrankten über 800 steige. Die Leiter der Abteilungen für Innere Medizin in den großen medizinischen Zentren des Landes klagten, dass sie bereits Schwierigkeiten hätten, Patienten ohne COVID-19 zu behandeln.

Bild oben: Ein Mitarbeiter des Rettungsdienstes United Hatzalah in Schutzkleidung. Er hat in einer Jerusalemer Wohnung einer Person eine Probe genommen, die nun auf das Coronavirus getestet wird. Foto: Oliver Fitoussi / Flash 90

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