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Jenny Havemann: Antisemitismus wird in Deutschland oft nicht ernst genommen

JERUSALEM / TEL AVIV, 01.01.2021 (TM) – Das Thema Judenhass hat Jenny Havemann ihr ganzes Leben lang begleitet. Als Jugendliche in Hamburg war sie damit konfrontiert, als erfolgreiche Unternehmerin in Israel lässt sie das Thema nicht los. Die jüdische Unternehmerin, Bloggerin und Kolumnistin lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in der Nähe von Tel Aviv. Im Interview mit „Fokus Jerusalem“ macht sie deutlich, dass es in Deutschland viele Defizite im Umgang mit dem Thema Antisemitismus gibt, vor allem in den Schulen: „Antisemitismus muss ein Teil der Bildung werden. Kinder haben keine Ahnung. Bevor ihnen etwas beigebracht wird, kann man nicht davon ausgehen, dass siewissen, was Antisemitismus ist, sondern sie müssen in der Schule darüber aufgeklärt werden.“ Nur so könnten sie frühzeitig erkennen, wenn in ihrem Umfeld offen oder unterschwellig Stimmung gegen Juden gemacht werde. 

Politik muss Phrasen durch Taten ersetzen“

In ihrer Online-Petition „Keine leeren Worte“ verlangt die 34-Jährige von der deutschen Politik, Phrasen durch Taten zu ersetzen. Viele Deutsche wollen sich mit dem Thema Holocaust nicht mehr auseinandersetzen, weil sie keine unmittelbare Schuld daran tragen. Darin sieht Jenny Havemann aber eine Gefahr. Denn es geht um mehr als um das historische Ereignis: Antisemitismus ziehe sich bis heute durch alle politischen und sozialen Schichten: „Ich habe über die Jahre immer wieder erlebt, auch in meinem Engagement in Deutschland, dass antisemitische Vorfälle nicht ernst genommen wurden. Sie wurden sehr oft herunter gespielt. Das hat meiner Meinung nach die Antisemiten immer mutiger gemacht. Sie sehen, dass ihnen nichts passiert und denken, dann können wir ja noch einen Schritt weitergehen und noch einen.

Jenny Havemann lebt seit mittlerweile zehn Jahren in Israel. Schon als Schülerin in Hamburg trug sie den Davidstern um den Hals und versteckte ihre Religion nicht. Sie erntete aber immer wieder Abneigung, sogar von Lehrern. Dass der Antisemitismus mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht zu Ende war, wurde kaum thematisiert. Das ist einer der Gründe, warum sie sich engagiert.

„Unsere Freunde und Familien leben ja in Deutschland und erfahren natürlich weiterhin Antisemitismus“, erklärt sie, „gerade der Anschlag in Hamburg an der Synagoge, wo wir ja jede Woche waren, hat uns sehr getroffen.“

Eigentlich hatte Jenny Havemann nicht vor, sich professionell mit dem Thema zu beschäftigen. In Israel hat sie ihre beruflichen Wurzeln gefunden. Sie berät Unternehmen, Politiker und Organisationen bei Themen wie israelische Politik und Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Israel. In den Sozialen Medien hat sie 8500 Follower. 

In Deutschland kein ausreichender Schutz

Es reicht Jenny Havemann nicht, nur zu wünschen und zu fordern. Deshalb ist sie selbst aktiv geworden. Bis heute gebe es in Deutschland kein funktionierendes Schutzkonzept für jüdische Einrichtungen, beklagt sie. Das Judenhasss-Problem dürfe nicht länger auf die lange Bank geschoben werden. Sie sehe immer mehr jüdische Freunde und Bekannte in Deutschland, die darüber nachdenken, die Koffer zu packen und das Land zu verlassen.

Jenny Havemann in unserer Fernsehsendung.

Bild oben: Jenny Havemann, Unternehmerin in Tel Aviv mit deutschen Wurzeln, im Interview mit „Fokus Jerusalem“. Ihrer Ansicht nach tut die Politik zu wenig gegen Judenhass. Foto: Screenshot/ Gilad Yosian / FJ

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