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Wegweisendes Urteil des Obersten Gerichtshofs zur Frage: Wer ist Jude?

JERUSALEM, 2.3.2021 (TPS/TM) – Der Oberste Gerichtshof Israels hat mit einem wegweisenden Urteil festgelegt, wer Jude ist und somit Anspruch auf die israelische Staatsbürgerschaft hat. Die Entscheidung ist in Israel sehr umstritten und wird kontrovers diskutiert. Insbesondere orthodoxe und ultraorthodoxe Juden sind überzeugt, dass das Gericht damit einen falschen Weg eingeschlagen hat.

Der Oberste Gerichtshof ordnete erstmals an, dass der Staat Israel konservative und reformierte Konversionen zum Judentum anerkennen muss. Bisher galten nur Übertritte als gültig, die von orthodoxen Rabbinern bescheinigt wurden. Die legten hohe Hürden für einen Übertritt fest.

Laut Gericht müssen nun auch Juden, die in einer reform- oder konservativen Gemeinschaft zum Judentum konvertiert sind, als Juden im Sinne des Rückkehrgesetzes anerkannt werden, solange der Gesetzgeber nichts anderes festlegt. Die Knesset könne dies anders regeln, müsse dazu aber ein Gesetz verabschieden.

Kritik vom Innenminister

Innenminister Aryeh Deri von der religiösen Shas-Partei lehnte das Urteil als falsch ab. Es werde zu Streit und einem großen Riss zwischen den Menschen führen. Er sprach sich dafür aus, das Gesetz so zu ändern, dass in Israel nur die Bekehrung nach den orthodoxen Vorschriften anerkannt wird.

Beide Oberrabbiner Israels haben sich gegen das Urteil ausgesprochen. Der aschkenasische Oberrabbiner David Lau erklärte: „Diejenigen, die im Rahmen einer Reformkonversion und dergleichen zum Judentum konvertiert sind, sind keine Juden. Keine Entscheidung des Obersten Gerichts wird diese Tatsache ändern.“ Es sei bedauerlich, dass das Gericht die Überschwemmung des Staates Israel mit Einwanderern billige, die nichts mit dem Judentum zu tun haben. Lau: „Jeder Bürger Israels sollte sich fragen, warum der Staat Israel ein jüdischer Staat ist, wenn jeder Ausländer Bürger des Staates Israel sein kann.“

Der sephardische Oberrabbiner Yitzchak Yosef hält die Entscheidung des Gerichtshofs für sehr unglücklich: „Was die Reformjuden und die Konservativen Bekehrung nennen, ist nichts anderes als eine Fälschung des Judentums, was bedeutet, Tausende von Nichtjuden in die Nation Israel zu bringen“, warnte er. Er forderte die Politik zu einer raschen Korrektur auf.

Die Knesset-Abgeordnete May Golan (Likud-Partei) schrieb, das Gerichtsurteil bedeute, „dass ein illegaler Einwanderer innerhalb von zehn Minuten eine Reformumwandlung durchlaufen und die israelische Staatsbürgerschaft erhalten kann“. Sie kommt aus Süd-Tel Aviv, einer der Hochburgen illegaler Einwanderer aus Afrika.

Mehrere Abgeordnete forderten zudem eine Reform des Obersten Gerichts. Das wird oft als linksgerichtet angesehen. Die Richter spiegelten nicht die Meinungen und Gefühle der Mehrheit der Bürger Israels wider.

Liberales Judentum ist umstritten

Das liberale Judentum ist in Israel umstritten. Reformierte jüdische Gemeinden ordinieren Frauen zu Rabbinerinnen, halten sich nicht an formale Gebete und Liturgien, Fahren am Schabbat mit dem Auto zur Synagoge und nehmen aktiv am interreligiösen Dialog teil. In Israel dominiert das orthodoxe Judentum. So dürfen bislang nur orthodoxe Rabbiner Ehen schließen. Im jüdischen Staat gibt es keine Standesämter. In den USA gehört die Mehrheit der Juden hingegen reformierten und konservativen Gemeinden an. Deren Vertreter feierten das Urteil als Erfolg für mehr religiöse Freiheit und Vielfalt in Israel.

Bild: Eine Frau tanzt mit einer Thora-Rolle an der Kotel. Die „Frauen der Mauer“-Bewegung fordern religiöse Gleichberechtigung. In Israel sind derartige Reformen sehr umstritten. Foto: Miriam Alster / Flash 90

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