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Wahlkampf in Israel: Netanjahus Politik auf dem Prüfstand

JERUSALEM, 07.03.2021 (DK) – In Israel finden in nunmehr zwei Wochen die vierten Wahlen binnen zwei Jahren statt. Der Wahlkampf gestaltet sich dieses Jahr jedoch andersartig. Anstatt der traditionellen Kundgebungen organisieren die Kandidaten Großveranstaltungen auf Zoom. Auch die Parteienlandschaft hat sich seit dem Amtsantritt der „Notfall-Regierung“ drastisch gewandelt. Blau-Weiß, die von Benny Gantz angeführte Regierungspartei, ist bereits kurze Zeit nach ihrer Gründung zerbröckelt. Aber auch von der Likud hat sich eine Fraktion abgespalten, welche sich nicht mit der Politik des Premierministers einverstanden erklärt. Die Karten werden also neu gemischt. Dabei stellt sich den Bürgern Israels vor allem eine Frage: Wer kann das Land aus der Corona-Krise herausführen?

Meinungen in Israel hinsichtlich Krisenmanagements gespalten

Nach einem Jahr der strengen Einschränkungen und der wochenlangen Lockdowns, herrscht in der Bevölkerung allgemeine Unzufriedenheit. Dabei wird oftmals der Zickzackkurs der Regierung unter Netanjahu für das wirtschaftliche Desaster verantwortlich erklärt. Befürworter des Ministerpräsidenten halten den einmaligen internationalen Erfolg der israelischen Impfkampagne dagegen. Das Krisenmanagement des Regierungschefs im vergangenen Jahr steht nun auf dem Prüfstand und die Wahlergebnisse werden zeigen, ob die Bürger ihm auch in Zukunft weiter ihr Vertrauen schenken. 

Nach jüngsten Umfragen ist Netanjahus Likud Partei von 29 auf 27 Sitze abgerutscht. Das von der größten Partei des Landes angepeilte Ziel von 40 Mandaten ist somit erstmal außer Reichweite. Viele der traditionellen Wähler sind zu Netanjahus Herausforderer Gideon Saar übergelaufen, der gemeinsam mit anderen ehemaligen Likud Politikern seine eigene Partei gründete. Benny Gantzs Fraktion hat derweil einen noch drastischeren Abstieg erlitten. Nach aktuellem Stand kann die Regierungspartei nicht einmal mehr die Hürde von 3,25% in die Knesset nehmen. Ihre Sitze hat sie größtenteils an den ehemaligen Bündnispartner Jair Lapid verloren, dessen „Es gibt Zukunft“ voraussichtlich mit rund 20 Mandaten als zweitgrößte Partei ins Parlament einziehen wird. Da Lapid sich weigert mit der Likud zu koalieren solange Netanjahu an der Spitze steht, wirbt der Premier diesmal um die Gunst der national-säkularen und religiöser Parteien.

Pandemie erschwert Organisation der Neuwahlen

Bei den Abstimmungen im März vergangenen Jahres hätte die Kluft zwischen dem säkularen und dem religiösen Lager Netanjahu beinahe den Wahlsieg gekostet. Schließlich schloss er eine Allianz mit seinem Rivalen Benny Gantz, an welchen er das Kanzleramt im November 2021 abzutreten versprach. Nachdem sich die Koalition im Dezember jedoch nicht auf einen Haushaltsplan einigen konnte, zerbrach das ohnehin sehr brüchige Bündnis. Auch diesmal bringen die Neuwahlen aufgrund der Pandemie viele logistische Probleme mit sich. In den nächsten Wochen ist demnach wieder mit verschärften Spannungen hinsichtlich der Organisation der Wahlen zu rechnen.

Bild: Benjamin Netanjahu bei einer Pressekonferenz am 4. März 2021. Quelle: Olivier Fitoussi/Flash90

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