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Netanjahu inszeniert sich als Israels ewiger Regierungschef

JERUSALEM, 16.06.2021 (DK) – Der ehemalige Premierminister Benjamin Netanjahu hat der neuen Regierung mit einem politischen Comeback gedroht. Ob er den jüngsten Machtwechsel aber überhaupt anerkennt, bleibt dahin gestellt. Während der ehemalige Ministerpräsident Pläne schmiedet, um Israels wackliges Acht-Parteien-Bündnis zu stürzen, inszeniert er sich als der ewige Regierungschef des jüdischen Staates. In einem Akt erstaunlicher Unverfrorenheit, empfing Netanjahu die ehemalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, am Dienstag in der offiziellen Residenz des Ministerpräsidenten. Als wären die Ereignisse der vergangenen Tage an Haley vorbei gegangen, erklärte die Republikanerin öffentlich, dass es immer wieder wertvoll sei, Zeit mit Israels Premier zu verbringen. Berichten im israelischen Fernsehen zufolge, habe die Netanjahu-Familie vor, die Residenz erst in mehreren Wochen zu verlassen. Er scheint sich zu sagen, warum auch die Koffer packen, wenn die neue Regierung unmittelbar vor einem Zusammenbruch steht.

Premier-Residenz wird von Steuergeldern finanziert

Eigentlich ist die Premier-Residenz im Jerusalemer Stadtteil Rehavia eine bescheidene Bleibe für den mächtigsten Mann im Staat. Dennoch ist sie in Israel zu einem Symbol der Macht geworden. Nur die wichtigsten Politiker des Landes werden von den Netanjahus persönlich eingeladen. Hochrangige Persönlichkeiten aus dem Ausland wurden dort mit den Spezialitäten des Landes verköstigt. Ironischerweise wurde der Ort auch zu einem Treffpunkt für Hunderttausende von Demonstranten, die einen Machtwechsel in der Knesset forderten. In jedem Fall werden die Kosten der Villa, die jeweils dem Ministerpräsident des Landes gehört, vom Staat übernommen. Da Netanjahu jedoch während seiner Amtszeit keinen Direktor für die Kanzlei des Premiers ernannt hat, kann die Übergabe staatlich nicht überwacht werden. In einem mutigen Schritt, sprach sich die rechtliche Beraterin der Kanzlei dafür aus, ab sofort die staatliche Subvention der Jerusalem Residenz und der Privatvilla der Netanjahus in Caesarea einzustellen. Noch wurde dem Antrag nicht stattgegeben.

Israels neuer Premierminister Naftali Bennett versucht indes einen direkten Konflikt zu vermeiden. Er wird die Residenz in Jerusalem lediglich für offizielle Visiten nutzen. Seine Familie bleibt jedoch in Raanana, einem Vorort von Tel Aviv, wohnen, da Bennetts vier Kinder dort die Schule besuchen. Zudem arbeitet seine Frau Gilat in der Stadt. Sobald die Netanjahu-Familie also ausgezogen ist, wird die Residenz in der Balfour Straße vor allem für politische Treffen genutzt werden. 

Knessetabgeordnete verdienen vierfaches Gehalt von Normalverdienern

Der opulente Lebensstil des Premierministers ist vielen Kritikern schon lange ein Dorn im Auge. Dies betrifft jedoch nicht allein die Netanjahus. Abgeordnete in der Knesset verdienen rund das Vierfache eines israelischen Normalverdieners. Dazu kommt, dass rund ein Viertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt. Wenn mit Steuergeldern also der luxuriöse Lebensstil des jetzigen Oppositionsführers bezahlt wird – immerhin sind in der Residenz einige Köche und Reinigungspersonal angestellt – dann ist der Unmut in der Bevölkerung vorprogrammiert.

Bild: Demonstranten der Anti-Netanjahu-Protestbewegung verkleiden sich als Reinigungskräfte vor Residenz in Jerusalem. Foto: Olivier Fitoussi/Flash90

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