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Mordserie unter arabischen Israelis fordert Leben junger Frau

RAMLE, 22.08.2021 (DK) – In den arabischen Gemeinden Israels grassiert die Gewalt: Vandalismus steht auf der Tagesordnung, Jugendgangs liefern sich Schlägereien und Menschen werden auf offener Straße erschossen. Nun forderte der interne Konflikt sein einundsiebzigstes Opfer: Lorin Musrati wurde in ihrem Auto in der Stadt Ramle erschossen. Die 28-jährige Mutter soll vorgehabt haben mit ihren beiden Kindern nach Haifa umzuziehen und sich damit dem Willen der Familie ihres verstorbenen Mannes widersetzt haben. Dieser war vor sechs Jahren ebenfalls bei einer Schießerei ums Leben gekommen. 

Die Kriminalität im arabischen Sektor machte erst vergangene Woche in Israel große Schlagzeilen. Sahar Ismael, ein Beamter des Bildungsministeriums, wurde am Sonntag in der Nähe seines Hauses in der nördlichen Stadt Rama umgebracht. Sein Fall zog deutlich mehr Aufmerksamkeit auf sich als die 69 vorhergegangenen Morde dieses Jahr. 

Wochenende sieht drei weitere Schießereien unter arabischen Israelis 

Die Polizei begann sofort nach dem Attentat Musratis nach dem Täter zu fahnden. Bislang wurde der Schuldige jedoch noch nicht gefunden. Dieses Wochenende ereigneten sich drei weitere Schießereien. Im Dorf Jadeidi-Makr wurden zwei Bewohner durch Schüsse schwer verletzt. Die Umstände des Angriffs bleiben weiterhin unklar. In Haifa untersuchte die Polizei die Erschießung eines 35-jährigen arabischen Israelis. In Kafr Kassem wurden bei einer weiteren Auseinandersetzung zwei Menschen leicht verletzt. 

400.000 illegale Waffen kursieren in Israel

Die arabische Minderheit in Israel macht in etwa 20% der Gesamtbevölkerung aus. Seit Jahren fordern sie von Politik und Polizei, der organisierten Kriminalität in ihren Gemeinden Einhalt zu gebieten. Viele Politiker stimmen dem zu – doch leichter gesagt als getan. Laut einem in der Knesset vorliegenden Bericht kursieren derzeit 400.000 illegale Waffen im Land und ein Großteil davon befinden sich in arabischen Dörfern und Städten. Premierminister Naftali Bennett hat sich bereits mit Experten zusammengesetzt, um strategisch gegen die Bandengewalt vorzugehen. Er erklärte, dass die Kriminalitätsrate im arabischen Sektor eine „nationale Katastrophe“ darstelle. Vor fünf Jahren hat die Regierung einen Entwicklungsplan ins Leben gerufen, der die Kommunen finanziell unterstützen soll. So soll hohe Arbeitslosigkeit unter der jungen Bevölkerung gestoppt werden, kulturelle Initiativen auf den Weg gebracht werden und in die Bildung investiert werden. Obwohl der Plan bereits greift, wird es vermutlich noch Jahre dauern bis sich eine sichtliche Besserung zeigt. 

Leah Leshem, die Polizeisprecherin für den Norden Israels wehrt sich gegen den Vorwurf, dass die Verantwortung allein bei den Sicherheitskräften liegt. Es müssten sich vor allem die sozialen Rahmenbedingungen ändern. „Die erste Adresse, an die sich die Leute wenden, ist immer die Polizei, Polizei, Polizei, aber das ist nicht richtig“, so Leshem. Der Knackpunkt sei unter anderem die Infrastruktur der arabischen Städte, insbesondere im Norden Israels. „In allen arabischen Dörfern sind die Straßen schrecklich; sie sind überfüllt. Es ist so voll und unzugänglich, die Leute kommen und gehen aus allen Richtungen. Wenn man an einem Ort wie diesem lebt … fühlt sich das wie ein Slum an und es sieht auch aus wie ein Slum.“ Diese Bedingungen drängen die Menschen dazu, sich in Banden zu organisieren, weil sie dies als Ausweg aus der sozialen Notlage sehen, erklärte Leshem.

Zahl der Todesopfer steigt seit Beginn der Coronakrise 

Die Coronakrise verstärkt noch zusätzlich die Frustration unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Viele haben während der Pandemie ihre Arbeitsplätze verloren. Im Jahr 2020 wurden 96 arabische Israelis getötet, die mit Abstand höchste verzeichnete Zahl in einem Jahr. Nach Angaben der Abraham Initiative, die um ein friedliches Miteinander von Juden und Arabern wirbt, kamen seit Anfang 2021 insgesamt 71 arabische Israelis bei Tötungsdelikten ums Leben. Bei elf davon handelte es sich um Frauen. Viele haben die Hoffnung schon fast aufgegeben, dass der Krisenherd im Norden Israels sich in Bälde wieder beruhigen wird. So zieht es nicht wenige junge Menschen in die Großstädte – genau wie Lorin Musrati. 

Bild: Juden und Araber protestieren gegen Mordserie unter arabischen Israelis im Februar 2021 in Tel Aviv. Quelle: Miriam Alster/Flash90

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