Wirtschaftspandemie: Millionen Israelis müssen zeitweise hungern
JERUSALEM, 23.09.2021 (NH) – Die Sukkot-Feiertage in Israel sind in vollem Gange. Eines der jüdischen Rituale zum Laubhüttenfest ist das Beherbergen und Verköstigen sogenannter Uschpisin (zu deutsch Gästen) in den bunt geschmückten Hütten. Familie, Freunde und Nachbarn sitzen fröhlich zusammen und feiern. Während viele Familien die Fotos ihrer feierlichen Köstlichkeiten in den sozialen Netzwerken teilen, kommen erschreckende Armutsreporte ans Tageslicht. Der Saisonbericht der privaten Organisation „Latet“ (zu deutsch „geben“), veröffentlichte die bestürzende Zahl von zwei Millionen Israelis, die unter Ernährungsunsicherheit leiden.
Was ist Ernährungsunsicherheit?
Die meisten von uns sind gewohnt, ein Lebensmittelgeschäft oder einen Supermarkt zu besuchen, um die Nahrungsmittel zu kaufen, die benötigt werden. Doch leider genießen nicht alle dieses Privileg. Sobald es einer Person oder Familie nicht möglich ist, sich mit gesunden Lebensmitteln ausreichend zu versorgen, spricht man von „Ernährungsunsicherheit“.
633.000 Familien betroffen
Laut den Zahlen von „Latet“ verfügen 633.000 Familien in Israel nicht über genügend Geld, um ihren täglichen Nahrungsbedarf zu decken. Von zwei Millionen Israelis, die zeitweise an Hunger leiden, sind 774.000 Kinder. Sie haben keinen Zugang zu nahrhaften Mahlzeiten. Das entspricht einem Viertel der Kinder in ganz Israel. Seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 haben Hunderttausende Familien in Israel große Teile ihres Einkommens verloren. Die Covid-Krise hat die Situation einkommensschwacher Familien deutlich verschlimmert.
Die israelische Regierung hat 100 Millionen Schekel (26,3 Millionen Euro) bereitgestellt, um das Problem zu lösen. Doch Eran Wintrob, Geschäftsführer der gemeinnützigen Organisation „Latet“ erklärt, dass dies nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sei. Um allen betroffenen Familien zu helfen, werde der zehnfache Betrag benötigt, etwa eine Milliarde Schekel.
Latet kämpft gegen die Armut in Israel
Als Dachorganisation für 180 lokale Verbände betreibt „Latet“ die führende nationale Lebensmittelbank und organisiert Programme, die Familien unter der Armutsgrenze und Holocaust-Überlebenden helfen. Die unabhängige, nicht staatliche Organisation sammelt mit landesweiten Spendenaufrufen Lebensmittelpakete für bedürftige Familien. Gerade vor und während der Feiertage arbeiten die Ehrenamtlichen der Organisation rund um die Uhr, um so viele Familien wie möglich mit frischen Lebens- und Nahrungsmitteln zu versorgen. Doch leider erreichen sie nicht alle, die Nachfrage ist zu groß.
Ein offizieller Bericht des Forschungs- und Informationszentrums der Knesset, der vergangenen Monat veröffentlicht wurde, spricht von „nur“ 200.000 Familien, die unter Nahrungsmittelknappheit leiden. Doch die tatsächlichen Zahlen sind wohl etwa dreimal so hoch. Hunderttausende Familien in Israel müssen ohne staatliche Unterstützung um ihre Existenz kämpfen.
Titelbild: Ein älterer Mann durchsucht einen Müllcontainer in der Innenstadt von Jerusalem. Foto: Yonatan Sindel / Flash90