1 Million Israelis verlieren ohne Auffrischungsimpfung ihren gültigen Impfnachweis
JERUSALEM, 29.09.2021 (DK) – Die Strandcafés sind voll, die Freibäder gut besucht und im Kino laufen die Blockbuster: Israel sieht diesen Spätsommer so ganz anders aus als noch um dieselbe Zeit im Vorjahr. Wer über einen Grünen Pass, einen Nachweis der Impfung oder Genesung von COVID-19 verfügt, geht weitestgehend uneingeschränkt durch den Alltag. Die neue Regierung setzt nicht länger auf Lockdowns, sondern stellt sich mit all ihren Ressourcen hinter die Impfkampagne. Trotz der vielen Vorteile steigt so auch der Druck auf die Bevölkerung. Die Latte zum Erhalt des Grünen Passes wird ab nächster Woche weiter nach oben gesetzt. Zum einen läuft die zweifache Impfung nach einem halben Jahr ab und zum anderen müssen sich nun auch Genesene die Spritze geben lassen. Rund 3 Millionen Israelis haben die Aufgrischungsimpfung erhalten. Viele ziehen also mit, aber noch lange nicht alle. Damit verlieren ab kommendem Sonntag rund 1 Million Israelis die wertvolle grüne Karte.
Immermehr Türen bleiben Menschen ohne Grünen Pass verschlossen
Die Sommermonate ließen sich im Mittelmeerstaat auch gut ohne Impfnachweis verleben. Die öffentlichen Badestrände sind für alle zugänglich und in den warmen Tagen kann man im Außenbereich seinen Kaffee genießen. Der Winter bringt dagegen neue Herausforderungen mit sich – und das gilt nicht nur für den Zugang zu kulturellen und sozialen Treffpunkten. Am Eingang der Universitäten wird beispielsweise das Vorzeigen eines Grünen Passes gefordert. Lehrer, die ihren Nachweis ab nächster Woche verlieren, werden in den unbezahlten Urlaub geschickt. Die dritte Impfung wird so zur Notwendigkeit, außer man will sich alle zwei Tage auf eigene Kosten einem Corona-Test unterziehen.
Alltag trotz Negativrekorden
Israel gilt seit Beginn diesen Jahres international als Impfvorreiter. Obwohl der größte Teil der Bevölkerung das Impfangebot wahrnahm, verzeichnete das Land im August und September Negativrekorde bei den Neuinfektionen. Allerdings war die Zahl der schweren Fälle im Vergleich zu vorherigen Wellen deutlich geringer. So entstand ein Paradox inmitten der Pandemie: Obgleich die täglichen Infektionszahlen durch die Decke gingen und in den Krankenhäusern zwei Monate in Folge über 500 Menschen an Corona starben, lief der Alltag praktisch ungestört weiter. Die Regierung verteidigt ihr Vorgehen damit, allen Bürgern den sogenannten Booster-Shot zugänglich gemacht zu machen.
Der radikale Kurs unter dem Kabinett von Premierminister Naftali Bennett sorgt für viele Kontroversen. Der Regierungschef zeigt sich jedoch vor der Kamera voller Selbstvertrauen. „Bei der Führung eines Landes während einer Pandemie geht es nicht nur um die Gesundheit. Es geht darum, alle Aspekte des Lebens, die von Corona betroffen sind, sorgfältig auszubalancieren, insbesondere Jobs und Bildung“, so Bennett bei einer Pressekonferenz in New York. „Ärzte leisten zwar einen wichtigen Beitrag, aber sie können nicht diejenigen sein, die die nationale Initiative leiten. Die einzige Person, die einen guten Überblick über alle Überlegungen hat, ist der Regierungschef eines bestimmten Landes. Vor allem tun wir alles in unserer Macht Stehende, um den Menschen die Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, die sie brauchen, um ihr Leben zu schützen.“
Bild: Frau zeigt ihren „Grünen Pass“ am Eingang zum Khan Theater in Jerusalem vor. Quelle: Yonatan Sindel/Flash90