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Sarkophage aus den Tagen des Sanhedrin in Javne entdeckt – Sind dies die Gräber der Weisen?

JAVNE, 30.11.2021 (NH) – Die zentralisraelische Stadt Javne liefert ein weiteres Mal atemberaubende archäologische Funde. Nachdem dort im vergangenen Monat die größte byzantinische Weinpresse der Welt entdeckt wurde, überrascht die israelische Altertumsbehörde nun  mit einer neuen, fast 2000 Jahre alten Sensation. Zum ersten Mal wurden die Überreste eines Gebäudes aus den Tagen des Sanhedrins freigelegt. Bei dem Sanhedrin handelt es sich um eine Gruppe von 23 oder 71 Ältesten, die den Hohen Rat bildeten.  Mitglieder waren damals Priester, jüdische Älteste und Schriftgelehrte. Nach der Zerstörung des Zweiten Tempels wurde der Sanhedrin als Gerichtshof eingesetzt.

Unter den archäologischen Funden befanden sich Messbecher aus Kalkstein, die auf eine jüdische Präsenz und die Einhaltung koscherer Reinheitsgesetze deuten. Die Bewohner des Gebäudes müssen demnach einen jüdischen Lebensstil geführt haben. Die Becher stammen aus der Zeit, als der Zweite Tempel zerstört wurde.

Dutzende außergewöhnliche Gräber

Nur 70 Meter neben der beeindruckenden Ausgrabung enthüllte die Behörde einen weiteren spannenden Fund: ein groß angelegter Friedhof aus dieser Zeit. Die Gräber sind ungewöhnlich sorgfältig angelegt, in gleichen Reihen und Abständen. Sie besitzen unterschiedliche Formen und bei den meisten fanden die Archäologen Särge. Die meisten dieser Sarkophage wurden aus Stein gemeißelt, nur ein Sarg wurde demnach aus Blei gegossen. Die Grabungsleiter fügen hinzu, dass „nach der Lage des Friedhofs davon ausgegangen werden kann, dass er außerhalb der Stadtgrenzen in Übereinstimmung mit den jüdischen Gesetzen und Riten und dem römischen Recht errichtet wurde.“

Dutzende außergewöhnlich sorgfältig angelegte Gräber und Särge aus vergangener Zeit. Foto: Yaniv Berman/Israel Antiquities Authority

Ein weiterer überraschender Fund: mehr als 150 Glasfläschchen, die außerhalb der Gräber entdeckt wurden. Laut Dr. Yael Gorin-Rosen, Leiterin der Glasabteilung der Altertumsbehörde, wurden die Phiolen wahrscheinlich verwendet, um wertvolle Flüssigkeiten wie duftende Öle zu konservieren. Warum die Ampullen jedoch nicht innerhalb der Gräber platziert wurden, ist auch ihr ein Rätsel. Schätzungen zufolge wurde etwa die Hälfte der Glasfläschen lokal produziert, die andere Hälfte wurde aus Alexandria in Ägypten importiert. Solche Glasphiolen wurden bei Ausgrabungen sowohl in jüdischen als auch in heidnischen Gräbern entdeckt. Ob auf diesem Friedhof nun Juden oder Heiden begraben wurden, konnte bis dato nicht festgestellt werden. Ethnische Symbole, die bei einer Identifizierung eine große Hilfe wären, fehlen.

Sollte die Hypothese sich bewahrheiten, dass es sich bei den Särgen um Gräber der damaligen jüdischen Gemeinde handelt, wäre es möglich, dass einige der Ruhestätten den bekannten Rabbinern Rabbi Yochanan Ben Zakai, Rabbi Akiva oder Rabbi Gamliel gehören.

Grabungsleiter Daniel Varga mit den Glasfläschchen, die außerhalb der Särge gefunden wurden. Foto: Yaniv Berman/Israel Antiquities Authority

Grundlagen des heutigen Judentums in Javne

Nach den Überlieferungen der rabbinischen Literatur floh Rabbi Yochanan ben Zakai vor der Zerstörung des Zweiten Tempels aus dem belagerten Jerusalem. Er bekam von dem regierenden römischen Kaiser Vespasian die Erlaubnis, den Sanhedrin in Javne einzuberufen.

Nach der Zerstörung des Tempels und bis zum Bar-Kochba-Aufstand war Javne das wichtigste jüdische spirituelle Zentrum im Land. Rabbi Yochanan Ben Zakai, gefolgt von Rabbi Gamliel, leitete den Sanhedrin und die Präsidialinstitution in Javne. Sie stellten das Torahleben im Heiligen Land wieder her und kümmerten sich um neue Gesetze, die der Realität ohne Tempel entsprachen. In Javne wurden zu diesem Zeitpunkt die Grundlagen des Judentums gelegt, wie wir es heute kennen.

TITELBILD: Erstmals wurden die Überreste eines Gebäudes aus sanhedrischer Zeit in Javne ausgegraben. Foto: Emil Alajem/Israel Antiquities Authority

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