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Familien warten auf Entschädigung nach gewaltsamer Evakuierung Givat Amals

TEL AVIV, 14.12.2021 (NH) – Das hebräische Sprichwort “Erez ochelet Joshveha”, zu deutsch “Das Land verschlingt seine Bewohner”, wurde einmal mehr zur traurigen Wirklichkeit für 45 jüdische Familien im Herzen Tel Avivs. Givat Amal Bet, ein Viertel innerhalb Givat Amals, wurde gewaltsam geräumt. Nach einem 16 Jahre langen Rechtsstreit sind die Bewohner des Viertels entwurzelt worden. Auf die versprochene Entschädigung warten die Familien noch immer.

Givat Amal Bet

Zwischen den Luxus-Türmen im wohlhabenden Norden Tel Avivs standen über 75 Jahre lang kleine baufällige Wohnhäuser. Seit Jahren kämpfte der Staat um deren Räumung, um Platz für weitere Luxusgebäude zu schaffen. Für die dort lebenden Arbeiterfamilien ist das eine Katastrophe. Immerhin sind sie diejenigen gewesen, die während des Unabhängigkeitskriegs die Grenzen des jungen jüdischen Staates stärkten. Die jüdischen Neueinwanderer aus dem Nahen Osten und Nordafrika, bekannt als sogenannte Mizrachim oder orientalische Juden, wurden von Ben Gurion persönlich dazu aufgefordert, sich auf dem kleinen Landstrich niederzulassen. Die palästinensischen Bewohner des einstigen palästinensische Dorfes auf diesem Boden, al-Jammasin, flohen während des Krieges. Die Niederlassung der 130 orientalischen Familien sollte ihre Rückkehr verhindern. Der Plan ging auf.

Nach dem Krieg wurde den europäischen Juden in der Region die Möglichkeit gewährt, die von ihnen besiedelten Grundstücke rechtlich zu erwerben. Eine Option, die den Mizrachi-Neueinwanderern in Givat Amal vorenthalten wurde. Dies wird heute in Israel als eine rassistische Diskriminierung orientalischer Einwandererfamilien gewertet. Seitdem lebten die Familien in dem Tel Aviver Viertel ohne entsprechende Infrastruktur. Die zahlreichen Versprechen des Staates, die Anwohner in ein anderes Gebiet umzusiedeln, wurden nicht eingehalten.

Mehr als 200 Sicherheitskräfte kamen zum Einsatz bei der Evakuierung des Viertels.
Mehr als 200 Sicherheitskräfte kamen zum Einsatz bei der Evakuierung des Viertels. Foto: Avshalom Sassoni/Flash90

Schandfleck” der luxuriösen Mittelmeer-Metropole

Heute, 75 Jahre später, sind die meist mittellosen Arbeiterfamilien im Givat Amal Bet-Viertel, in der Tel Aviver Metropole ein “Schandfleck”. Das Armutsviertel muss weg, heißt es. Man braucht Platz, um weitere Luxuskomplexe zu errichten.

Bei einer früheren Evakuierung im Jahr 2014 wurden schätzungsweise 80 Familien aus Givat Amal vertrieben. Vier Jahre später entschied das Gericht, auch die übrigen Bewohner zu entwurzeln. Mit dem Beschluss sollten weitere 45 Familien ihr Dach über dem Kopf verlieren. Im vergangenen November setzten die israelischen Behörden mithilfe von über 200 israelischen Sicherheitskräften den Gerichtsbeschluss um und vertrieben auch die letzten Bewohner des Arbeiterviertels. Die Anwohner und Aktivisten hatten zuvor ihre Häuser mit Möbeln verbarrikadiert. Zufahrtsstraßen um das Viertel wurden mit Mülltonnen, Autos und Holzpaletten blockiert. Doch der Versuch war zwecklos. Die Zwangsräumung wurde gewaltsam vollstreckt.

Die kleinen Häuser wurden in der Zwischenzeit von den Bauunternehmern unbewohnbar gemacht, um zu verhindern, dass die Bewohner in ihre Wohnungen zurückkehren.

Bis heute warten Familien auf eine angemessene Entschädigung

In einem früheren Urteil wurde festgehalten, dass jedem Grundstück des Armutsviertels eine Entschädigung in Höhe von 850.000 Euro zusteht. Durchschnittlich teilen sich drei Familien ein Grundstück. Nach Abzug von Anwalts – und Gerichtskosten reicht die verbleibende Summe den Familien jedoch nicht aus, um sich eine alternative Unterkunft zu leisten und schon gar nicht in ihrem geliebten Tel Aviv. Die israelische Metropole wurde kürzlich zur teuersten Stadt der Welt erklärt. Eine kleine Vier-Zimmerwohnung kostet umgerechnet 1,1 Millionen Euro. Unsummen für die Bewohner von Givat Amal.

Dennoch wurde der absurde Räumungsentschädigungsplan staatlich budgetiert. Doch auch diese finanziellen Mittel wurden bis dato nicht an die Familien überwiesen. Einige der Bewohner sind in Motels untergebracht, andere kamen bei Familienmitgliedern unter oder bezogen kleine Mietwohnungen. Die Gleichgültigkeit der israelischen Regierung und ihrer Entscheidungsträger sind schockierend. Sie haben die Familien im Stich gelassen.

Titelbild: Die gewaltsame Evakuierung der Bewohner von Givat Amal im vergangenen November. Foto: Avshalom Sassoni/Flash90

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