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Juden verkleiden sich als Muslime und beten auf dem Tempelberg

JERUSALEM, 16.12.2021 (NH) – Sie lernen die arabische Sprache und das muslimische Gebet. Bewegung für Bewegung imitieren sie das Verhalten auf einem Gebetsteppich. Die Schläfenlocken werden mit Haarklammern unter der religiösen Kopfbedeckung versteckt, der Bart und die Haare schwarz gefärbt. Ein Kaftan und eine Masbacha, ein Gebetskettchen, perfektionieren den Anschein.  Es sind jüdische junge Männer, die bereit sind, ihr Leben zu geben, um auf dem Allerheiligsten zum Gott Abrahams zu beten.

Der Tempelberg: emotionaler Brennpunkt

Auf dem explosivsten Stück Land des Nahen Ostens reicht ein kleiner Funke, um ein Lauffeuer zu entfachen. Der Tempelberg in Jerusalem ist das Allerheiligste für das jüdische Volk. Im Islam heißt das Gelände Haram al-Sharif und ist der drittheiligste Ort der Muslime. Nach der Einnahme der Altstadt und Ost-Jerusalems im Sechstagekrieg 1967 durch israelische Truppen wurde vereinbart, dass Juden zwar den Tempelberg besuchen dürfen, dort aber keine religiösen Handlungen vornehmen dürfen. Viele jüdische Rabbiner verbieten ihren Anhängern, das Gelände zu betreten. Sie könnten versehentlich jene Stelle betreten, wo einst das Allerheiligste des Tempels stand. Dorthin dürfen nur Priester einen Fuß setzen.

Jüdische Bürger haben heute nur zu bestimmten Zeiten die Möglichkeit, den Tempelberg zu besuchen. Dafür steht ihnen nur ein Eingang zur Verfügung. Ein großes Polizeiaufgebot begleitet dann die jüdischen Gläubigen. Jeder Versuch eines Gebets in der Nähe des Felsendoms und der Al Aksa-Moschee wird von der Polizei mit aller Härte unterbunden. Muslime hingegen können zu jeder Tageszeit und durch fast alle Tore der Altstadt den Tempelberg betreten. Israelische Sicherheitskräfte sorgen vor Ort für die allgemeine Sicherheit. Die muslimische Waqf-Behörde (jordanisches Institut des islamischen Rechts in Jerusalem) verwaltet alle religiösen Aktivitäten. Der Tempelberg gilt als ein Brennpunkt des israelisch-palästinensischen Konflikts.

Als Muslime verkleidet auf dem Tempelberg

Eine Gruppe junger Männer ist nicht bereit, die Sanktionen gegen Juden länger zu akzeptieren. Sie nennen sich „Returning to the Mount“- zu deutsch „Zum Berg zurückkehren“. Ihre Vision ist es, zu jeder Tageszeit auf den Tempelberg hinaufzusteigen und dort beten zu können. Ihre Hauptabsicht  ist jedoch, einen dritten Tempel zu erbauen und den Opferdienst wieder aufzunehmen. Sie lernen die arabische Sprache und verkleiden sich als arabische Gläubige. Unter diesem Deckmantel fallen sie weder den israelischen Sicherheitskräften noch der Waqf-Behörde auf.

Die jungen Männer, die sich so auf den Tempelberg schmuggeln, beängstigen die israelischen Sicherheitskräfte. Die Polizei und der Inlands-Geheimdienst versuchen, die von ihnen als „Extremisten“ eingestuften Juden vom Tempelberg fernzuhalten. Mit einstweiligen Verfügungen und gelegentlichen Gefängnisaufenthalten sollen die Aktivitäten der Untergrundbewegung verhindert werden. Erfolglos. Jede Woche werden einzelne Anhänger unter falscher muslimischer Identität festgenommen.

Bereit, das eigene Leben zu geben

Der israelische Nachrichtensender Channel 13 deckte die befremdlichen Aktionen der Gruppe auf. Nach Angaben der Reporter haben israelische Sicherheitsbeamte den Nachrichtensender unter Druck gesetzt, das Filmmaterial nicht auszustrahlen, aus Angst vor möglichen folgenden Gewaltexzessen. „Jeder Versuch, den Status quo des Tempelberges zu stören, wird gerichtlich verfolgt“,  so hochrangige Sicherheitsquellen gegenüber Channel 13. Die jüdischen Beter blenden das Risiko, dem sie sich aussetzen, weitgehend aus. Auch die Gefährdung israelischer Sicherheitskräfte scheint sie nicht zu interessieren. Einer erklärte: „Natürlich habe ich meine Bedenken, dass sie entdecken, dass ich ein Jude bin und mich lynchen. Aber für den Tempel bin ich bereit, mit meinem Leben zu bezahlen.“

Titelbild: Israelische Sicherheitskräfte eskortieren eine Gruppe religiöser Juden bei ihrem Besuch auf dem Tempelberg. Foto: Sliman Khader / Flash90

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