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Ein langer Weg aus der Krise: Israelis orientieren sich beruflich um

JERUSALEM, 09.01.2022 (DK) – Wie in vielen Ländern der Welt hat auch die Wirtschaft in Israel unter dem Ausbruch der Pandemie gelitten. Neben den vorhersehbaren Folgen von Lockdowns und Reisebeschränkungen haben die Corona-Regelungen auch überraschende Konsequenzen nach sich gezogen. Der israelische Arbeitsmarkt hat in den vergangenen zwei Jahren einen starken Wandel durchlebt. Obwohl die Arbeitslosenquote in Israel Ende 2021 noch immer bei 4,5% lag, suchen Arbeitgeber händeringend nach Angestellten. Doch Israelis scheinen immer weniger gewillt, einer Arbeit mit geringem Einkommen, oder einem aufgrund von COVID gefährdeten Job länger nachzugehen. 

Viele Arbeitnehmer sehen in Coronakrise eine neue Chance

Benjamin P. hat sich sein Studium jahrelang als Kellner finanziert. Als das Restaurant Angelica im Frühjahr 2020 für mehrere Monate schließen musste, wurde sich der Jerusalemer Student schnell bewusst, dass die von der Regierung gestellten Hilfsgelder nicht ausreichten. “Es ist schwer genug als Kellner von einem vollen Gehalt in Jerusalem zu leben. Das Arbeitslosengeld war einfach nicht ausreichend, um die Miete und alle Notwendigkeiten zu decken”, so Benjamin gegenüber Fokus Jerusalem. “Ich machte mich auf die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle und fand einen Job, bei dem ich zwar mehr Einsatz zeigen musste aber der gleichzeitig auch besser bezahlt wurde. Also hatte die ganze Situation auch etwas Gutes.” Benjamin ist nicht der Einzige, dem eine berufliche Neuorientierung in Krisenzeiten gelungen ist. Die stellvertretende Leitung des israelischen Instituts für Demokratie, Karnit Flug, sieht einen gesellschaftlichen Trend während der vergangenen zwei Jahre. „Die Leute suchen Arbeit“, so Flug. „Aber wenn wir uns von einer Krise wie COVID erholen, werden die Menschen wahrscheinlich die Chance ergreifen, ihren Arbeitsplatz aufzugeben und nach etwas Besserem zu suchen. Viele Leute gehen nicht wieder an den gleichen Ort zurück.”

Wirtschaftsministerium sucht nach Gründen für Sinneswandel

Während die Lücke im Arbeitsmarkt weiter bestehen bleibt, versucht die Politik die Ursachen für den Wandel auszumachen. Der Direktor des Wirtschaftsministeriums, Dr. Ron Malka, sieht viele mögliche Antworten auf die Frage, warum viele Menschen sich entschieden haben, ihr Berufsfeld zu verlassen. „Es ist möglich, dass der Wandel auf Personalprobleme zurückzuführen ist, oder mit dem Arbeitslosengeld zu tun hat“, erklärte Malka gegenüber der israelischen Tageszeitung Jerusalem Post. „Es könnte auch an einem Motivationsproblem liegen. Wir wissen, dass zumindest einige Arbeitslose arbeiten können, sich aber aus ihren eigenen Gründen dagegen entscheiden. Vielleicht denken sie, dass ihr Gehalt zu niedrig ist? Oder, weil die Hilfsgelder es ihnen ermöglicht haben, etwas Erspartes anzuhäufen? Liegt es daran, dass sie das Gleichgewicht in ihrem Leben verändert haben und eine andere Perspektive haben, weil jemand, den sie kannten, an COVID gestorben ist, und sie sich deswegen nicht aufraffen können? Wir wissen es nicht.“ In jedem Fall muss die Balance wieder hergestellt werden, so dass Israels Wirtschaft sich langsam von der langen Krise erholen kann. 

Am härtesten wurde die Tourismusbranche in der Coronakrise getroffen. Gastronomie und Busunternehmen wurden auch in Mitleidenschaft gezogen. Für fast zwei Jahre fanden sich Reiseführer ohne Arbeit, da die Grenzen für Individualtouristen nahezu die gesamte Zeit seit Februar 2020 geschlossen blieben. Jetzt haben Arbeiter der Tourismusbranche Anspruch auf eine bezahlte Ausbildung in einer anderen Branche ihrer Wahl, wobei die Regierung bis zu 20.000 NIS des Programms finanziert. Außerdem erhalten sie für die Dauer ihrer Ausbildung eine monatliche Zahlung von bis zu 10.000 NIS. Gleichzeitig sollen ab Sonntag wieder geimpfte Reisende ins Land eingelassen werden. Da die Corona-Mutante Omikron längst in israel angekommen ist, sieht die Regierung keinen Sinn darin, die Grenzen weiter geschlossen zu lassen. 

Bild: Eine Hotelfachfrau bereitet Zimmer auf die Wiedereröffnung des Herbert Samuel Hotels in Tel Aviv vor. Quelle: Avshalom Sassoni/Flash90

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