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Helden ohne Umhang (30): Yoseph Haddad – Araber, Christ und Hüter Israels

von Nadine Haim Gani

JERUSALEM, 28.01.2022 – Yoseph Haddad beschreibt sich selbst als einen christlich-arabischen Israeli und als Verteidiger Israels. Geboren in Haifa, diente er mit 18 Jahren freiwillig in der israelischen Armee und wurde im Kampf gegen die Hisbollah lebensgefährlich verletzt. Heute setzt er seinen Kampf fort, in dem er weltweit für sein Land einsteht und Israel verteidigt. Als Sozialaktivist und Gründer der Organisation „Gemeinsam – Füreinander Einstehen“ arbeitet er darauf hin, die Kluft zwischen der jüdischen, christlichen und muslimischen Gemeinschaft zu überbrücken. Dabei hält er israelische Araber dazu an, sich in die israelische Gesellschaft zu integrieren. Yoseph arbeitet Hand in Hand mit „Reservists On Duty“, einer gemeinnützigen Organisation von israelischen Kriegsveteranen. Gemeinsam kämpfen sie gegen die antiisraelische Boykott-Bewegung und alle Formen des Antisemitismus weltweit. 

Gemeinsam – Füreinander Einstehen

Yoseph Haddad wurde am 3. September 1985 als zweiter Sohn von vier Kindern in einer arabisch-christliche Familie in Haifa geboren. Im kulturell-politischen Konflikt ist die nördliche Küstenstadt ein Symbol der gelungenen Koexistenz. Gewaltwellen und Aufstände haben das Misstrauen von Juden und Arabern in Israel verschärft. Jedoch nicht in der gemischten und bunten Stadt Haifa. In der drittgrößten Stadt des Landes leben arabische und jüdische Bürger weitgehend friedlich zusammen.

Als Yoseph drei Jahre alt war, zog Familie Haddad nach Nazareth, die größte arabische Stadt in Israel. Yoseph wuchs als Angehöriger der christlichen Minderheit innerhalb der muslimisch-arabischen Gesellschaft in einem jüdischen Staat auf. Er selbst erzählt, dass ihm religiöse und kulturelle Leben komplex erschienen ist. Doch über den Sport konnte der arabische Junge tiefe Freundschaften aufbauen. Wenn es um Fußball geht, gibt es keine Religion oder nationale Zugehörigkeit. Das Einzige, was zählt, ist Spaß und der Sport. So zählte der kleine Yoseph viele jüdische als auch muslimische Freunde zu seinem Bekanntenkreis.

Freiwillig zur Kampfeinheit

Arabische Jugendliche müssen nicht in der israelischen Armee dienen. Doch als Yoseph seine Freunde in tiefen Diskussionen antraf, in welcher Einheit sie in Zukunft dienen möchten, kam der arabische Teenager ins Grübeln. Ein stiller Kampf um Identität und Loyalität erwachten in dem jungen Mann. Warum sollte er nicht wie seine jüdischen Freunde sein Land verteidigen? Yoseph erklärt, dass es sich hier schließlich nicht um JDF – Jüdische Streitkräfte, sondern um die IDF – Israelische Verteidigungsstreitkräfte drehe. Yoseph sah sich selbst als hundertprozentigen Israeli.

Yoseph während seiner Dienstzeit im israelischen Militär. Deshalb haben sich viele seiner arabischen Freunde von ihm abgewandt.
Foto: Mit freundlicher Erlaubnis von Yoseph Haddad

Er beschloss, sich freiwillig zum israelischen Militär zu melden. Doch wollte der junge Mann nicht nur seinen persönlichen Teil dazu beitragen, um sein Land zu schützen. Yoseph träumte von einem Armeedienst in der angesehenen Golani-Kampfeinheit. Der motivierte Junge verlor aufgrund dieser Entscheidung viele seiner arabischen Freunde. Der Titel „Betrüger“ drohte ihm angehängt zu werden. Doch der angehende Elitesoldat war sich sicher, das Richtige zu tun.

Blutiger Terror

Ein paar Wochen vor seinem Dienstbeginn schaltete Yoseph den Fernseher ein. Bilder des Grauens flimmerten über den Bildschirm: zerbrochene Scheiben, blutgetränkte Möbel und zerrissene Körper. Es ist der 4. Oktober 2003, ein sonnenstrahlender Schabbatmorgen. Eine Selbstmörderin des Islamischen Dschihad hatte eine Bombe im beliebten Maxim-Restaurant in Yosephs Geburtsstadt Haifa gezündet. Die 28-jährige palästinensische Jurastudentin riss 21 Menschen in den Tod und verletzte weitere 60 schwer. Unter den Opfern waren zwei Familien und vier Kinder, darunter ein zwei Monate altes Baby. Das bekannte Restaurant war ein Symbol des Zusammenlebens. Christen, Juden, Muslime und Drusen trafen sich in der gutbesuchten Lokalität, um nicht nur die sagenhafte Aussicht auf das türkisfarbene Meer, sondern auch das vorzügliche Essen zu genießen.

Yoseph war zutiefst schockiert. Der Ort war zum blutigen Schlachtfeld einer mörderischen Ideologie geworden. Ihm wurde bewusst, dass er sich mit seinem Armeedienst nicht der israelischen Regierung unterstellt, sondern dem israelischen Volk. Palästinensischer Terror unterscheidet nicht zwischen den verschiedenen Religionen und Bevölkerungsschichten. Der brutale Terror tötet Araber wie Juden. Im Frühling 2004 wurde Yoseph zur Golani-Einheit rekrutiert. Im Laufe seines Armeedienstes absolvierte er einen Kommandantenkurs und wurde für seine herausragenden Leistungen innerhalb des israelischen Militärs mit einer hoch angesehenen Auszeichnung geehrt. Im Laufe der Zeit wurde Yoseph in das 51. Bataillon versetzt und diente als Kommandeur und Sergeant in der besonderen Kampfeinheit.

Der zweite Libanonkrieg

Das Jahr 2006 sollte für die israelischen Streitkräfte ein hochexplosives Jahr werden. Nachdem im Sommer 2005 16 jüdische Siedlungen im Gazastreifen in der Hoffnung auf Frieden geräumt wurden, musste sich die israelische Armee nach dem Rückzug aus Gusch Katif auf die neuen Grenzen einstellen. Immer wieder kam es zu Attentaten und Selbstmordanschlägen am Gaza-Grenzzaun. Die blutigen Unruhen eskalierten, als der israelische Soldat Gilad Schalit am 25. Juni 2006 entführt wurde. Mit seiner Entführung begann die Militäroperation „Sommerregen“. Zeitgleich intensivierten sich die Kämpfe der IDF mit der Hisbollah, als die beiden Soldaten Ehud Goldwasser und Eldad Regev entführt und getötet wurden. Der zweite Libanonkrieg brach über Israel herein. Yoseph, der sich kurz vor dem Ende seines Militärdienstes befand, wurde mit dem 51. Bataillon zur Verstärkung in den nördlichen Sektor geschickt.

Gefecht in Bint Jbeil 

Das 51. Bataillon rückte nach Bint Jbeil vor. Die Schlacht um die libanesische Stadt gilt als eines der schlimmsten Gefechte im zweiten Libanonkrieg. Einer von Yosephs Majoren, Roy Klein, wurde getötet, als er sich auf eine Granate warf, um seine umstehenden Soldaten zu retten. Bei Kleins Soldaten handelte es sich um jüdische wie auch arabische Kämpfer. Der Tod des religiösen jüdischen Kommandanten sollte Yoseph nachhaltig prägen und zu einem Meilenstein in seinem weiteren Leben werden. Im Laufe der Schlacht verlor der junge Araber drei Kommandeure, sieben gute Freunde, ein weiterer Soldat fiel unter seinem Kommando. Viele wurden schwer verwundet.

Die Kompanie von Yoseph war müde und die monatelangen blutigen Gefechte zehrten an den Kräften der Männer. Erschöpft, hungrig und mit nur noch wenig Munition ruhten sich die jungen Soldaten nach einer gewonnenen Schacht aus, als die Hisbollah eine Panzerabwehrrakete auf die Kompanie abfeuerte.

Bei Tagesanbruch hatten die Terroristen das Versteck der israelischen Streitkräfte entdeckt und nahmen die Soldaten unter massiven Beschuss. Einige Golani-Kämpfer wurden bei dem Angriff schwer verletzt. Unter ständigem Hisbollah-Beschuss versuchten Yoseph und sein Trupp, die Verletzten zu versorgen und begannen mit der Evakuierung, als eine Kornet-Rakete auf die Einheit abgefeuert wurde. Das Geschoss prallte auf eine Mauer, explodierte und schleuderte Yoseph in die Luft. Schwer verletzt prallte er auf dem Erdboden auf. Granatsplitter hatten seinen ganzen Körper durchlöchert und sein Gesicht schwer verwundet. Regungslos und unter unglaublichen Schmerzen blickte Yoseph an seinem Körper hinunter. Er wusste zwar, dass er verletzt war, doch nichts hatte ihn auf den grausamen Anblick vorbereitet: Sein rechter Fuß war abgerissen. Der Kämpfer schwebte in akuter Lebensgefahr. Yoseph wusste, dass er so schnell wie möglich in ein Krankenhaus gebracht werden muss, sonst würde er die nächsten Stunden nicht überleben.

Unter unaufhörlichem Hisbollah-Feuer konnten die israelischen Verletzten letztlich gerettet werden. Während der Evakuierung stimmte Yoseph das Lied „Don’t worry, be happy“ an. Die anderen Soldaten schlossen sich ihm an. Yoseph wurde mit einem Rettungshubschrauber der Luftwaffe in ein Krankenhaus geflogen.

Yoseph nach seiner schweren Fußverletzung im Krankenhaus. Ein großer Teil seiner Familie sind Kriegsveteranen. Als er von Freunden gefragt wurde, ob es ihm leid tut, dass er sich freiwillig zum Armeedienst meldete, antwortete er: „Nicht nur dass es mir nicht leid tut, ich würde mich noch mal melden. Ich bin stolz das Recht zu haben, für mein Land zu kämpfen.“
Foto: Mit freundlicher Erlaubnis von Yoseph Haddad

Lange und schmerzhafte Rehabilitation 

Erst vier Tage nach der schweren Operation erwachte Yoseph. Zu Beginn traute er sich nicht auf sein Bein zu blicken. Die Angst und das Trauma vom Schlachtfeld hielten ihn zurück. Doch als er seinen ganzen Mut zusammen nahm und auf seinen rechten Fuß schaute, traute er seinen Augen nicht: Er hatte beide Füße. Das israelische Ärzteteam hatte es geschafft, den abgerissenen Fuß wieder anzunähen. Mit Dutzenden Metallschrauben in seinem Bein und dicken Verbänden umwickelt, erkannte Yoseph, dass ein weiterer Kampf auf ihn wartet. Ein persönlicher und mentaler Feldzug begann für den jungen Araber. Lange und schmerzhafte Rehaeinheiten sollten Yoseph wieder auf die Beine bringen. Doch machten die behandelnden Ärzte dem Soldaten nicht allzu viel Hoffnung. Es wäre ein Wunder, wenn Yoseph in Zukunft hinkend gehen könne. Auf seinem geliebten Fußballplatz würde er niemals wieder spielen können.

Ein Jahr später betrat Yoseph das Praxiszimmer seines Arztes. In der Hand hielt er einen Ball. Vor den Augen des Mediziners begann er Fußball zu spielen. Yoseph hatte mit schwerer Arbeit das Unmögliche geschafft. Ein langes und beschwerliches Jahr lag hinter dem jungen Kriegsveteranen. Die Kriegstraumata und die schweren Verletzungen hatten Yoseph geprägt. Bis heute leidet der 36-Jährige an posttraumatischen Störungen.

Die Erfahrung, dem Tod so nahe zu sein, schenkt dem Leben neue Dimensionen. Yoseph begann Politikwissenschaften an der Bar Ilan-Universität in Ramat Gan zu studieren. Doch nach einiger Zeit brach er sein Studium ab, um sich dem angesehenen LEAD20-Programm für junge Führungskräfte aus der ganzen Welt an der MIT-Universität (zu deutsch: Massachusetts-Institut für Technologie) in den USA zu widmen. Als erfolgreicher Absolvent des Programms startete er eine steile Karriere als Projektmanager und Betriebsleiter bei einer angesehenen Marktforschungsagentur. Yoseph hatte das Gefühl, die Welt erobern zu können. Doch etwas fehlte ihm. Er fühlte, dass er an einem anderen Ort gebraucht wird und ein weiterer Schauplatz nach dem Kämpferherz ruft.

Brückenbauer mit christlicher Nächstenliebe

Israel ist geprägt vom Holocaust, unzähligen Kriegen, zwei blutigen Palästinenseraufständen, Terroranschlägen, Raketen und dem Wunsch seiner radikalen Nachbarn, das kleine Land zu vernichten. Innerhalb des Landes führten die jahrzehntelangen Traumata zu einer Spaltung des Volkes. Viele jüdische Bewohner empfinden ihre arabischen Mitbürger als Bedrohung. Arabische Israelis fühlen sich hingegen oft von der jüdischen Mehrheit unterdrückt. Die Beziehungen zwischen den beiden Bevölkerungsschichten sind über die Jahre von Angst, Misstrauen und Vorurteilen oder ganz einfach von tiefer Ignoranz geprägt.

Yoseph besucht arabische Kämpfer und begleitet sie auf ihrem extrem schweren Marsch. Die Soldaten haben sich, wie er selbst, freiwillig zum israelischen Militär gemeldet.
Foto: Mit freundlicher Erlaubnis von Yoseph Haddad

Yoseph erkannte die Mauern um die verschiedenen Schichten und entschied sich, dagegen vorzugehen. Im Mai 2018 gründete er die grenzüberschreitende Organisation „Gemeinsam – Füreinander Einstehen“. Die Organisation versucht, die Kluft zwischen dem arabischen Sektor der israelischen Gesellschaft und dem jüdischen Sektor zu überbrücken. Dazu gehören auch Christen, Drusen, Bahá’í und Bürger aus anderen Minderheiten innerhalb Israels. Doch der Kampf für mehr Verständnis innerhalb der israelischen Gesellschaft endet nicht an den Landesgrenzen. Yoseph widmete sein Leben der Aufgabe, die Wahrheit über Israel weltweit zu verbreiten, die antiisraelische Boykott-Bewegung BDS und jegliche Form des Antisemitismus zu bekämpfen. Er versucht, seinen Zuhörern die schönen Seiten des Staates Israels und die reale Lebenssituation zu vermitteln.

Yoseph bei seinem Aufsehen erregenden Interview mit dem arabischen Nachrichtensender Al Arabiya. Er wurde nach dem Gespräch mit Hunderten Nachrichten aus der ganzen arabischen Welt überschwemmt, die ihm dankten, dass er das wahre Gesicht Israels zeigt.
Foto: Mit freundlicher Erlaubnis von Yoseph Haddad

Der Kriegsveteran hält in vielen Ländern Vorträge, managt Medienaktivitäten und wird sogar von arabischen Fernsehsendern zu Interviews eingeladen. Yoseph weist in diesen Interviews immer wieder darauf hin, dass arabische Nachrichtenquellen von radikalen Extremisten dominiert werden. „Die Mehrheit der arabischen Bewohner schweigt, weil sie Angst haben“, erklärte Yoseph. Er räumte ein, dass er aufgrund seiner Aktivitäten Morddrohungen bekommt, aber er fügte lächelnd hinzu: „Für jede Morddrohung bekomme ich zehn Botschaften der Unterstützung. Und das hält mich am Laufen.“

Gemeinsam an der Front – auch nach dem Krieg

Unterstützung bekommt Yoseph von der gemeinnützigen Organisation „Reservists On Duty“. Der Verein wurde von IDF-Veteranen gegründet und widmet sich mit intensiver Aufklärungsarbeit der Bekämpfung der rapide steigenden Juden- und Israelfeindlichkeit. Gemeinsam kämpfen Yoseph und seine IDF-Veteranen nicht nur in amerikanischen Universitäten gegen den schäumenden Antisemitismus, sondern weltweit.

Zwischen Demonstrationen von pro-palästinensischen Aktivisten, die Israel hassen und versuchen, Israel als Apartheidsstaat zu verteufeln, gibt Yoseph den Menschen in New York am zentralen Union Square eine kleine Lektion über Israel und die arabische Gesellschaft. Er traf auch auf einige Israelis, die sich unterstützend zu ihm stellten.
Foto: Mit freundlicher Erlaubnis von Yoseph Haddad

Yoseph erklärt, dass auf der ganzen Welt Verbrechen der Unterdrückung, Gewalt und Tötung durch die jeweilige Regierung an ihren eigenen Bürgern stattfinden. Dies geschehe zum Beispiel in Kuba, Südafrika und auch in der palästinensischen Autonomiebehörde. Aber der UN-Menschenrechtsrat, der internationale Strafgerichtshof in Den Haag und sogar die US-Regierung schweigen und beschäftigen sich weiterhin nur mit Israel. 

Am 13. Oktober 2021 hat die jüdische US-Zeitung „The Algemeiner Journal“ Yoseph in die Top-100-Liste der Persönlichkeiten aufgenommen, die das jüdische Leben im vergangenen Jahr positiv beeinflusst haben. „Als israelischer Araber ist die Auszeichnung besonders aufregend für mich und ermutigt mich, meinen Weg fortzusetzen, die Zusammenarbeit zwischen Juden und Arabern in Israel zu fördern“, erklärte Yoseph sichtlich gerührt.

Für die einen mag er ein Betrüger sein, doch für die arabische und jüdische Gesellschaft ist er ein Symbol der Hoffnung – die Hoffnung auf friedliche Koexistenz im Heiligen Land.
Foto: Mit freundlicher Erlaubnis von Yoseph Haddad

„Gemeinsam – Füreinander Einstehen“ und „Reservists On Duty“ stehen geschlossen gegen die lauten antiisraelischen Stimmen auf der ganzen Welt. Lügen, Hetze und Heuchelei wird nicht mit Waffen, sondern einzig und allein mit der Wahrheit bekämpft. 

Yoseph Haddad ist unser Held. Er ist ein Symbol der friedlichen Koexistenz zwischen Arabern und Juden und schenkt in dunklen Zeiten ein Licht der Hoffnung. Statt Umhang trägt unser Held eine Israelfahne.

Titelbild: Yoseph Haddad, arabisch-christlicher Kriegsveteran und Kämpfer für Israel. Foto: Mit freundlicher Erlaubnis von Yoseph Haddad

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