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Helden ohne Umhang (31) – Shimon Azulay: Herzlicher Klempner und heldenhafter Rettungstaucher

von Nadine Haim Gani

JERUSALEM, 04.02.2022 – Seit einigen Jahren begeistert die israelische Realityshow „Yazata Zadik“, zu deutsch „Als Gerechter erwiesen“, das Publikum im ganzen Land. In jeder Episode der beliebten Show auf Channel 12 werden Fachmänner aus verschiedenen Bereichen unwissend auf ihre Zuverlässigkeit und Professionalität geprüft. Mit Kameras, einem Schauspieler als Kunden und einer gestellten Fehlfunktion werden die Profis zum Einsatzort gerufen. Der Showgastgeber überwacht zusammen mit einem Experten den bestellten Service. Schnell kristallisiert sich heraus, ob der Fachmann seinen Kunden ehrlich und kompetent bedient oder den imaginären Kunden betrügt. Oft enden die Szenen im Fiasko. Unfachmännisches Handeln, überhöhte Preise und Vortäuschung angeblicher Fehlfunktionen entlarven die Arbeit manchen Profis schlichtweg als Gaunerei.

Bewegendes Staffelende

Zwischen den betrügenden Fachmännern, die in der Sendung live entlarvt wurden, finden sich aber  höchst professionelle Elektriker, Mechaniker, Maler, Schreiner und andere Handwerker. Sie bekommen den geschätzten Titel „Zadik“ („Gerechter“) und werden mit einer Auszeichnung geehrt.

In einem besonders bewegenden Staffelfinale überreichte der Showmoderator bei einer Liveübertragung einem Sanitärinstallateur die ehrwürdige Medaille. Shimon Azulay berührte die Zuschauer durch seine bewundernswerte Ehrlichkeit, Professionalität und Nächstenliebe. Doch Shimon ist nicht nur ein sachkundiger Installateur. Er widmet sein Leben seinen Nächsten und seinem Umfeld. Der 47-Jährige erwies sich als ein Mann der Tat: Er hilft, wo immer er kann, repariert Fehlfunktionen bei Bedürftigen, ohne dafür eine Zahlung entgegenzunehmen, arbeitet freiwillig in der Organisation Meir und ist Teil der ehrenamtlichen Notfall-Tauchereinheit von Zaka. Ein unglaubliches Multitalent mit großem Herz.

Shimon wurde schnell zum Tagesgespräch

Shimon wurde 1975 in Or Akiva geboren. Seine Eltern waren aus Marokko nach Israel eingewandert. Shimon hat drei Brüder und eine Schwester. Die Kinder wuchsen in einer handwerklich begabten Familie auf. Schon als kleiner Junge interessierte sich Shimon für Berufe im Bereich des Bauwesens. Die Brüder seiner Mutter waren professionelle Fliesenleger. Als Teenager begleitete Shimon seine Onkel gern und erlernte schnell die Handwerkskunst. Im Alter von 22 Jahren, nach seinem Armeedienst in der israelischen Grenzpolizei, die den israelischen Streitkräften untersteht, begann Shimon offiziell als Installateur seine Dienste anzubieten.

Shimon Azulay bei der bewegenden Medaillenverleihung am Staffelende der Realityshow von „Yazata Zadik“. Wie gerecht der humorvolle Klempner jedoch wirklich ist, stellte sich erst kurz danach heraus. Foto: „Yitzhat Tzadik“/Keshet 12 – Mit freundlicher Erlaubnis von Shimon Azulay

Ehrenamtlich bei Meir

In seiner Freizeit engagiert sich Shimon ehrenamtlich bei der gemeinnützigen Hilfsorganisation Meir. Der Verein stellt täglich Tausende von warmen Mahlzeiten für Bedürftige bereit. Für Ilanit Hafta, die Direktorin der Institution, ist Shimon ein Engel. Zu Zeiten der Corona-Pandemie schnellten die Arbeitslosenzahlen rasant in die Höhe. Viele Familien konnten sich wegen fehlender Gehälter kaum über Wasser halten. Für ohnehin notleidende Bedürftige entwickelten sich wiederkehrende Ausgangssperren zum Armutsurteil.

Die Organisation explodierte praktisch über Nacht zu einer monströsen Küche. Tag und Nacht standen freiwillige Helfer hinter den Herden, um so viele Menschen wie möglich mit lebensnotwendigen Mahlzeiten zu versorgen. Doch in einer solch belebten und aktiven Küche kommt es gerade im Bereich der Installation oft zu Problemen. Eines Tages stand Shimon vor der Tür. Er meldete sich freiwillig und repariert seitdem alles, was bei der Organisation kaputt geht, und zwar ohne Bezahlung. In den Augen der ehrenamtlichen Helfer wurde Shimon vom Himmel geschickt. „Ich rufe ihn an und er kommt sofort – ohne auch nur einen Schekel zu verlangen“, erklärte Ilanit Hafta sichtlich bewegt im israelischen Fernsehen.

Doch nicht nur für die gemeinnützige Organisation ist Shimon ein Segen. Auch in den Wohnungen bedürftiger Menschen führt der Klempner ehrenamtlich Wartungs- und Installationsarbeiten durch. Eine Bewohnerin konnte ihre Tränen während eines Interviews in der Realityshow nicht zurückhalten. Sie erhielt warme Mahlzeiten über den Verein und wandte sich an die Direktorin mit einem dramatischen Abwasserproblem. Umgehend war Shimon zur Stelle. Über Stunden arbeitete der Familienvater und entfernte Baumwurzeln aus der Kanalisation. „Shimon hat lange und sehr schwer gearbeitet, aber als ich ihn fragte, wie hoch die Rechnung sei, antwortete er lächelnd: Nein Oma, alles ist in Ordnung.“ 

„Es ist wichtig dass es Männer wie Shimon gibt. Aber solche Personen gibt es kaum!“, fügte sie hinzu. In den vergangenen zwei Jahren, während der herausfordernden Coronazeit, bot Shimon den älteren und bedürftigen Bewohnern der Stadt an, ihn zu kontaktieren, um kostenlos Hilfe zu erhalten.

In der Zaka-Taucher-Einheit

Aber der fürsorgliche Klempner gibt sich mit seinen kostenlosen Dienstleistungen nicht zufrieden.  Shimon arbeitet ehrenamtlich in der Tauchereinheit der israelischen Notfallorganisation Zaka.

Die Tauchereinheit beschäftigt sich mit komplizierten Such- und Rettungseinsätzen unter Wasser. Sie arbeitet dabei eng mit der israelischen Polizei, maritimen Polizeieinheiten sowie der Sapir-Schiffseinheit, die ebenfalls zu Zaka gehört, zusammen. Die Einheit besteht landesweit aus etwa 350 Tauchern, die mit eigener Ausrüstung bei Notfällen sofort reagieren und rund um die Uhr auf  Abruf bereitstehen.

Ehrenamtliche Taucher bei einer Trainingseinheit für die Spezialeinheit der israelischen Such- und Rettungsorganisation Zaka im Jachthafen von Tel Aviv. Foto: Yaakov Naumi/Flash90.

Im Jahr 2005 ertrank der Rechtsanwalt Moshe Kaniel im Meer vor Tel Aviv. Hunderte von Freiwilligen durchkämmten die Strände zu Fuß und kreisten mit kleinen Flugzeugen und Hubschraubern über dem Wasser. Aber aufgrund des Mangels an qualifizierten Tauchkräften konnte der Meeresboden nicht erreicht werden. Die Kommandeure der Zaka-Vermissten-Einheit waren für eine Suche auf und im Wasser nicht gerüstet. Zaka zog aus dem tragischen Fall schnell Schlussfolgerungen. 30 Tage nach dem Tod des Advokaten gründete Zaka eine spezielle Tauchereinheit, die Moshe Kaniel gewidmet ist.

Shimon hatte schon immer eine Leidenschaft für das Tauchen. Vor einigen Jahren entschied er sich deshalb, der Spezialeinheit beizutreten. Shimon stach schnell durch sein Engagement und seine Bescheidenheit heraus. Die Professionalität, die er bei Einsätzen demonstrierte, strahlten für die anderen Taucher wichtige Sicherheit aus und schnell wurde Shimon zum Einsatzleiter und später zum Bezirkskommandant befördert.

Doch die gefährlichen Taucheinsätze hinterließen bei dem freundlichen Kommandanten tiefe Narben. Einer der schwierigsten Einsätze war für Shimon der Fall der kleinen Rose Pizem. Der traurige Einsatz hat sich tief in das Gedächtnis des Klempners gegraben.

Der grausame Fall Rose Pizem

Der Sommer 2008 sollte Israel in eine Schockstarre verfallen lassen. Die Suche nach der vermissten vierjährigen Rose Pizem begann. Die Urgroßmutter des kleinen Mädchens, bei der das Kind lebte, erstattete bei der israelischen Polizei Anzeige. Ihr Sohn, der zugleich Großvater und Stiefvater des kleinen Mädchens war, hatte Rose einige Monate zuvor bei der Urgroßmutter abgeholt und nicht zurückgebracht.

Der komplexe Familienhintergrund und das von Gewalt geprägte Leben des kleinen blonden Mädchens sorgten in Israel und weltweit für Entsetzen. Der leibliche Vater von Rose, Benjamin Ron, war mit seiner Familie von Frankreich nach Israel gereist, um seinen Vater Ronny kennenzulernen. Ronny Ron hatte früher ein romantisches Verhältnis zu einer französischen Touristin. Aus der Verbindung war Benjamin entstanden. Kontakt zu seinem Sohn hatte Ronny  jedoch nicht. Der Besuch von Benjamin mit seiner Ehefrau Marie und der kleinen Rose im Schlepptau sollte das Verhältnis ändern. Doch der gute Vorsatz eskalierte zu einem komplexen Familiendrama. Die 23-jährige Marie verliebte sich in ihren mehr als zwanzig Jahre älteren Schwiegervater. Der geprellte Ehemann Benjamin kehrt mit der kleinen Rose zurück nach Frankreich. Nach einigen Monaten erhob sich der Verdacht der Kindesmisshandlung gegen den jungen Vater. Das Kleinkind verbrachte mehr als sieben Monate in einer Einrichtung für misshandelte Kinder. Ein französisches Gericht entschied schlussendlich, das Mädchen zu seiner Mutter nach Israel zu schicken. Das Urteil sollte sich als entsetzlicher Fehler erweisen.

Die kleine Rose Pizem. Der Mord an der 4-Jährigen mit den großen traurigen Augen schockierte ein ganzes Land und sorgte bei den kinderliebenden Israelis für größte Bestürzung. Der Fall Rose wurde weltweit diskutiert. Foto: Privat

Inzwischen hatten Marie und Ronny zwei eigene kleine Töchter. Mit der Ankunft der süßen Rose, die aufgrund der schweren Misshandlung Verhaltensstörungen zeigte, war die jetzt dreifache Mutter überfordert. Rose wurde zum ungewollten Ballast. Die Vierjährige wurde zu ihrer Urgroßmutter Vivian gebracht, die sie mit viel Liebe und Aufmerksamkeit aufpäppelte.

Doch plötzlich war Rose verschwunden. Die besorgte Uroma versuchte wiederholt ausfindig zu machen, wo sich das kleine Mädchen aufhält, doch der Aussage ihres Sohnes zufolge sei Rose in einem geschlossenen Internat für Sonderschulpädagogik untergebracht worden. Die Urgroßmutter erstattete nach drei Monaten Anzeige.

Während dem Verhör soll der Stief- und Großvater eingeräumt haben, auf den Wunsch von Roses Mutter hin, das Mädchen bewusstlos geschlagen und in einem Koffer im Yarkon-Fluss versenkt zu haben. Es stellte sich heraus, dass die Mutter in den Briefen, die in der Wohnung des skurrilen Paares gefunden wurden, schrieb, dass ihre Tochter „ihr glückliches Leben zerstört hatte“ und sie Ronny darum bat, das Mädchen verschwinden zu lassen.

Wochenlang suchte Shimon Azulay, die israelische Polizei und weitere freiwillige Helfer nach dem vermissten Mädchen, bis die schreckliche Annahme zur grausamen Wahrheit wurde. Roses Leiche wurde am 11. September 2008 geborgen. Bis heute ist nicht geklärt, ob Rose noch gelebt hatte oder bereits an den schweren Verletzungen gestorben war, als ihr Großvater das Mädchen in den Fluss warf.

Israelische Spezialtaucher suchen im August 2008 im Yarkon-Fluss nach der Leiche der kleinen Rose. Der Großvater gab zu, das Kleinkind zu Tode geprügelt zu haben, bevor er ihre Leiche in einem Koffer in den Fluss warf. Es war einer der grausamsten Einsätze, an denen Shimon teilnahm. Foto: Roni Schutzer/Flash 90

Anerkennung für schwere Freiwilligenarbeit

Shimon und sein Team waren Tag für Tag am Tatort. Von Sonnenaufgang bis zum Einbruch der Dunkelheit suchte die Tauchereinheit unaufhörlich nach dem Koffer, bis er am Ende gefunden wurde. Mit dem Fund des roten Koffers endete eines der grausamsten und traurigsten Gewaltdelikte Israels. Tiefe Trauer, gemischt mit Erleichterung, erfüllte die freiwilligen Helfer. Der Fall Rose lies ein weiteres Mal das Land zusammen rücken und entfachte vor allem den Geist der Freiwilligenarbeit in der breiten Öffentlichkeit. Die aufopfernde und entschlossene Arbeit der freiwilligen Taucher wurde im September 2008 offiziell geehrt. 19 Ehrenurkunden wurden in einer feierlichen Zeremonie an die hervorragenden Mitglieder der Zaka-Einheit verliehen. Shimon Azulay war einer der Helden, dem diese besondere Anerkennung überreicht wurde. Als Vater bei Einsätzen wie im Fall Rose freiwillig zu helfen, bedarf einer großen Portion Mut, Courage und einem sehr großen Herz für die Gemeinschaft.

Von Shimon dürfen wir lernen. Hinter dem bescheidenen Klempner verbirgt sich ein tapferer Kämpfer, der für sein Umfeld als kleiner Hoffnungsschimmer die Dunkelheit erhellt. Er hilft seinen Nächsten, ohne dafür ein weltliches Entgelt zu verlangen. Er kämpft für Gerechtigkeit und lebt nach dem Gebot der Nächstenliebe. Shimon Azulay ist unser Held. Statt Umhang trägt er Taucherausrüstung.

Titelbild: Shimon Azulay nach der Auszeichnung „Yazata Zadik“. Der sympathische Klempner entpuppte sich als Rettungstaucher der Zaka-Einheit und wurde zum Tagesgespräch im ganzen Land. Foto: Mit freundlicher Erlaubnis von Shimon Azulay

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