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Ukraine-Invasion: Israel übt sich im diplomatischen Mikado

JERUSALEM, 27.02.2022 (DK) – Raketenangriffe, Massenflucht und anrückende Truppen: Auch in Israel dominiert die Invasion der Ukraine die Schlagzeilen in den Medien. Der Krieg hat Israel in die Zange genommen, da der jüdische Staat seit Jahren sowohl zu Kiew als auch zum Kreml in Moskau gute Beziehungen unterhält. Seit der Invasion vollführt der israelische Regierungschef Naftali Bennett einen Drahtseilakt. Seine Reaktion fiel verhältnismäßig milde aus. Obwohl die Ukraine sich eine klarere Stellungnahme aus Jerusalem gewünscht hätte, wurde die Reaktion nicht als Affront aufgefasst. Der ukrainische Ministerpräsident Wolodymyr Selensky bat Israel sogar um Vermittlung im Konflikt mit dem Nachbarn. Anders als Bennett fand Israels Außenminister Jair Lapid scharfe Worte für Russlands Offensive. In einer Mitteilung auf Twitter verurteilte er den Angriff und bot der Ukraine humanitäre Hilfe an. Während die Kämpfe in Kiew weiter wüten, will Israel der Ukraine somit vorerst mit Hilfsgütern zur Seite stehen. Die Sorge gilt vor allem auch jüdischen Staatsbürgern im Konfliktgebiet. 

Israels Botschafter wird aufgrund von Kritik einberufen

Dass der jüdische Staat in der Zwickmühle sitzt, ist auch in Russland kein Geheimnis. Obwohl Israel nicht dem Aufruf der Amerikaner gefolgt ist, eine UN-Resolution gegen Moskau zu unterstützen, ist der Kreml dennoch nicht mit seinem israelischen Partner zufrieden. Lapids Kritik sorgte dafür, dass der israelische Botschafter in Russland vorgeladen wurde, um die Twitter-Mitteilung zu erklären. Laut israelischen Medienberichten, drückte der stellvertretende russische Außenminister Michail Bogdanow seine Überraschung über die israelische Verurteilung aus. Botschafter Alexander Ben Zvi entgegnete darauf, dass die Kommentare Jerusalems gemäßigt und weitaus milder als die anderer Nationen seien. Bogdanow fragte auch warum Israel ukrainische “Nazis” unterstütze. Russland hat seine Offensive in der Ukraine unter dem Deckmantel der “Entnazifizierung” begonnen. Für Israel ist diese Aussage des russischen Präsidenten Wladimir Putin besonders heikel, da es sich bei seinem erklärten Gegner Selensky um einen Juden handelt. 

Israelische Botschaft verhilft Hunderten Israelis zur Flucht

Schon vergangene Woche hat Israels Regierung seine Bürger dazu aufgerufen, die Ukraine umgehend zu verlassen. Das Botschaftspersonal wurde nicht abgezogen, um Israelis bei der Ausreise zu helfen. Als sich der Konflikt jedoch zunehmend zuspitzte, wurden die Beamten von der Hauptstadt nach Lviv verlegt. Inzwischen nächtigen alle Angestellten der Botschaft in Polen und kommen nur noch tagsüber zurück in die ukrainische Grenzstadt. In einer öffentlichen Mitteilung rief die Botschaft alle israelischen Staatsbürger in der Ukraine dazu auf, ein Schild mit den Buchstaben “IL” zu tragen, um vom Personal unter den Flüchtlingen identifiziert werden zu können. Hunderttausende Menschen aus der Ukraine haben sich mit dem Auto oder Zug auf den Weg an die Grenze gemacht, um in anderen europäischen Ländern Schutz zu suchen. In den vergangenen Tagen wurden auch bereits Hunderte Israelis mit Bussen über die polnische Grenze gebracht, um von dort ihren Weg nach Hause antreten zu können. 

Israel will Juden im Konfliktgebiet mit Hilfspaket zur Seite stehen

Doch auch jüdische Staatsbürger der Ukraine will Israel in dieser schwierigen Zeit nicht im Stich lassen. Der Staat schnürte ein Hilfspaket von umgerechnet 2,66 Millionen Euro für betroffene Juden in der Region. Viele stecken noch in der Kiev fest. Zu diesem Zweck hat Rabbiner Jonathan Markovitch im Keller seiner Synagoge ein Massenquartier eingerichtet. Er berichtet, dass zunächst vor allem Sicherheitspersonal von Nöten sei, um ihn und die Mitglieder seiner Gemeinde zu schützen. In Odessa hat sich Rabbiner Aaron Motuz gemeinsam mit seinen Gemeindemitgliedern entschieden zu fliehen. Im Judentum ist die Rettung eines Lebens ein höheres Gebot als das Einhalten des Reiseverbots am Schabbat. Deshalb fuhren die religiösen Juden am Samstag den ganzen Tag bis an die Grenze nach Moldawien. Andere Rabbiner wiesen ihre Gemeinden an, vorerst Ruhe zu bewahren und ihre Häuser nicht zu verlassen. 

Bild: Protest in Jerusalem gegen die Ukraine-Invasion. Quelle: Yonatan Sindel/Flash90

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