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Erneute Regierungskrise: Weitere Abgeordnete verlässt Bennetts Regierungskoalition

JERUSALEM, 19.05.2022 (TM) – Schwerer Schlag für die Regierung von Ministerpräsident Naftali Bennett: Die Abgeordnete Ghaida Rinawie Zoabi von der linken Meretz-Partei hat heute überraschend angekündigt, dass sie die Regierungskoalition verlässt. Diese verliert damit ihre Mehrheit im Parlament. Israelische Medien spekulieren bereits, es werde Mitte September Neuwahlen geben.

Kämpferin für die arabische Sache

Ghaida Rinawie Zoabi ist 49 Jahre alt und stammt aus Nazareth. Sie ist eine Araberin mit israelischer Staatsbürgerschaft. Die Begründung für ihren Rückzug nannte sie in einem offenen Brief: „Ich bin in die Politik gegangen, weil ich mich als Abgesandte der arabischen Gesellschaft sah, die ich vertrete. Leider haben es die Spitzen der Koalition in den vergangenen Monaten aus engstirnigen politischen Gründen vorgezogen, die rechte Seite zu stärken.“ Sie erwähnte die Konflikte um die Al Aqsa-Moschee, den Tempelberg, den Jerusalemer Stadtteil Sheik Jarrah, Siedlungsbau, Hauszerstörungen von Palästinensern, das Staatsbürgerschaftsgesetz und Landbeschlagnahmungen im Negev. „Wenn es um die Bedürfnisse der arabischen Gesellschaft, um Wohnen, Beschäftigung und Bildung ging, waren sie gleichgültig“, kritisierte die Abgeordnete. Sie war als israelische Generalkonsulin in Shanghai vorgesehen. Dieses Amt werde sie nicht antreten, machte sie heute deutlich.

Zoabis Abgang verschafft der Opposition im Parlament eine Mehrheit von 61 zu 59. Die Regierungsgegner sind aber kein einheitlicher Block: Die konservativ-religiösen Parteien haben 54 Sitze, die Vereinigte Arabische Liste sechs, hinzu kommt nun die Stimme Zoabis. Abgeordnete der Vereinigten Arabischen Liste hatten bei einer kritischen Abstimmung vor kurzem für Bennett gestimmt – offensichtlich, um eine Rückkehr von Oppositionsführer Benjamin Netanjahu an die Regierungsspitze zu verhindern. Sie hatten aber deutlich gemacht, dass sie Bennett nicht dauerhaft an der Macht halten werden.

Regierung schon zuvor geschwächt

Bennetts Koalition war schon vor sechs Wochen geschwächt worden, als die Abgeordnete Idit Silman erklärt hatte, sie werde die Regierung nicht mehr unterstützen. Sie gehört der nationalreligiösen Yamina-Partei von Regierungschef Bennett an und hatte bemängelt, dass die Regierung den Arabern gegenüber zu nachgiebig sei und den jüdischen Charakter des Staates aufs Spiel setze.

Gemäß des Koalitionsvertrags würde Bennett bis zu Neuwahlen Interims-Premierminister bleiben, falls Zoabis Überlaufen zur Opposition tatsächlich zu Parlamentswahlen führen sollte.

Bild: Die Abgeordnete Ghaida Rinawie Zoabi hat mit ihrem Rückzug ihre Parteifreunde und Mitarbeiter ebenso überrascht wie Regierung und Opposition. Foto: Yonatan Sindel/Flash90

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