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‎Ein Bruder nimmt Abschied: In Gedenken an Dor Deri – 07.10.1995-28.07.2014

JERUSALEM, 03.08.2022 (NH)  – Unaufhaltsamer Raketenbeschuss und die Entführung und Ermordung von drei unschuldigen jüdischen Jugendlichen führen im Jahr 2014 zu einer großangelegten Militäroffensive im Gazastreifen. Blutige Kämpfe gegen die radikalislamische Hamas in Gaza, gefolgt von hohen Verlusten des israelischen Militärs, schockieren die Nation. Sieben Wochen dauert der Krieg, 70 junge Soldaten verlieren ihr Leben. Einer der jungen Kämpfer ist Dor Deri aus Gilo, einer Gemeinde in Jerusalem. Sein großer Bruder Shimi erinnert sich:

“Heute, vor genau 8 Jahren um 23:30 Uhr, erhielt ich einen Anruf, der mein Leben veränderte.‎‎”Fahre zu deinen Eltern” – am anderen Ende der Leitung war Zohar, der Freund meines Bruders.‎ ‎”Was ist passiert?” – “Nichts, fahre dringend zu deinen Eltern!”.

‎Wir wecken meine Schwiegermutter, damit sie sich um unsere Kinder kümmert. Ich und Hila fahren so schnell wie möglich die kurze Strecke nach Gilo.‎ ‎Die 10-minütige Fahrt fühlte sich an wie Stunden. ‎Ich kann mich an‎‎ nichts erinnern, keine Autos, keine Ampeln, nichts. ‎‎Die ganze Zeit über liest Hila in den Psalmen und ich schweige nur still.

Schwere Kämpfe innerhalb Gazas

‎In diesen Tagen finden heftige Kämpfe in der Militäroperation Protective Edge statt. ‎Es ist der erste Tag des jüdischen Monats Av. Hila hatte mir morgens noch erzählt, dass die neun Tage (bis zum Trauertag des 9.Av, der Jahrestag der Zerstörung des Tempels) begonnen haben. Am Nachmittag wurden vier Soldaten getötet. Später ein weiterer Soldat, den meine Frau aus der Nachbarschaft, in der sie aufgewachsen war, kannte – sein Name war Moshiko Davino. ‎‎Hila sagte den Satz: “Ich hoffe, dass wir diese Tage mit Shalom überstehen.” ‎Im Nachhinein stellt sich heraus, dass wir sie nicht überstehen werden.

‎Es ist ungefähr 23:45 Uhr, als wir bei meinen Eltern ankommen. Nichts bereitet uns auf den Sturm vor, der im Haus meiner Eltern wütet. ‎Wir klopfen an die Tür. Die Tür öffnet sich und am Eingang steht ein sehr großer Soldat. ‎‎Er fragt mich: “Bist du Shimi?”. ‎Ich denke eine Sekunde nach und überlege, ob ich “Nein” sagen soll. ‎Der nächste Satz brennt sich tief in meinen Kopf ein: ‎‎”Es tut uns leid, Dir mitteilen zu müssen, dass dein Bruder, Sergeant Dor Deri, im Kampf bei Nahal Oz gefallen ist.” ‎

‎Ich breche zusammen. Meine Beine sind tonnenschwer. ‎‎Meine Knie können mich nicht mehr halten. ‎‎Eine Sekunde später liege ich am Boden. ‎‎Ich blicke in die Richtung von Mama und Papa und sehe, wie sie bitterlich weinen und die Nachricht noch nicht erfassen. ‎‎Eine Reihe von Offizieren und ein Sanitäter versuchen dennoch, uns zu beruhigen, versuchen uns zu umarmen. ‎Ich werde diesen Tag in meinem Leben nie vergessen. ‎Ein Tag, an dem die Erde bebte und sie nicht mehr dieselbe sein wird. ‎Ich denke, an diesem Tag änderte sich meine Einstellung zum Leben.

Dor (Ecke Links) mit seinen Freunden während seines Armeedienstes. Foto: Mit freundlicher Erlaubnis von Shimi Deri

Das Leben wertschätzen ‎

‎Ich beschloss, jeden freien Moment, den ich in diesem Leben habe, so zu genießen, als wäre es der letzte. ‎‎Man weiß nie, was heute, morgen oder übermorgen passieren wird. ‎‎Man muss aufhören, seine Zeit mit Wut und Streit zu verschwenden. ‎Lächle, lache und sei immer am Leben – lebe einfach! ‎

‎Ich trage den Schmerz jeden Tag in mir, manchmal schlägt er zu unerwarteten Momenten mit harter Intensität zu. ‎‎Ich habe mir auferlegt, auf jegliche Art und Weise das Gedenken meines kleinen Bruders aufrechtzuerhalten. ‎‎Dutzende von Veranstaltungen, Gedenkstätten, Gedenkveranstaltungen und der Dor-Marathon, der jedes Jahr stattfindet. ‎‎Ich werde immer an dich denken, mein Engel, ich hoffe, du bist stolz auf das, was du von oben siehst – wir hier sind sehr stolz auf dich. ‎‎Wir sind stolz auf all die 18 Jahre und 8 Monate, die Du hier bei uns warst. ‎‎Natürlich wollten wir mehr, aber Gott entschied, dass er möchte, dass du von oben auf uns aufpasst und den Himmel mit deinem Lachen und deinem Unfug aufmischt. ‎‎Mögest du dort neben ihm sitzen. ‎‎Unser Engel, wir vermissen dich wahnsinnig. ‎‎Wache von oben über uns.”

Dor Deri wurde getötet, als 13 Hamaskämpfer durch einen Terrortunnel nach Israel eindrangen und den Wachposten von Nahal Oz überfielen. Die Terroristen versuchten, die Leiche von Dor zu entführen, um später die sterblichen Überreste des Soldaten als Pfand bei einem Gefangenenaustausch zu benutzen. Die unverletzten Soldaten konnten den Entführungsversuch vereiteln. Neben Dor fielen vier weitere Soldaten.

Titelbild: Dor Deri, möge sein Andenken ein Segen sein. Foto: Mit freundlicher Erlaubnis von Shimi Deri

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