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Yom Kippur – Vergeben, Versöhnen, Fasten

JERUSALEM, 04.10.2022 (NH) – Mit dem heutigen Sonnenuntergang beginnt der jüdische Fasten- und Versöhnungstag Yom Kippur. Mit der Dunkelheit und den ersten Sternen am Himmel legt sich eine heilige Stille über das Land. Strahlend weiß gekleidete Israelis pilgern langsam durch die Gassen auf dem Weg zur Synagoge. Jüdische Gebete und Trauergesänge erfüllen die Straßen. Die Sühnelieder und der Ruf nach Vergebung unserer Sünden und die unserer Generation ergreifen die Seele und geben uns einen winzigen Einblick, wie unserer Vorväter an diesem Tag im Tempel bei unserem Schöpfer um Vergebung flehten. Hunderte Jahre lang, während der Zeit des ersten und zweiten Tempels in Jerusalem, versammelten sich Juden von überall her, um zu erleben, wie der Hohepriester Vergebung für das Volk Israel erwirkte.

Ein ganzes Land steht still

Für fast 26 Stunden wird das Leben in dem sonst sehr lauten und hektischen Israel stillstehen. Neben den großen Einkaufszentren und kleinen Cafés schließt auch der internationale Flughafen. Die Autobahnen sind leergefegt und statt Fahrzeugen spazieren Israelis bedächtig die Schnellstraße entlang.

Viele Israelis gehen dem Brauch nach, am Abend des Versöhnungstages in eine Mikwe einzutauchen, das jüdische rituelle Reinigungsbad. Der „äußerlichen“ Reinigung folgt danach die innere. Vor Sonnenuntergang versammelt sich die ganze Familie zu einem letzten, feierlichen Essen. Das Familienoberhaupt segnet seine Sprösslinge und das Fasten beginnt.  Yom Kippur wird meistens in der Synagoge verbracht. Insgesamt werden fünf Gebetsgottesdienste abgehalten. Bei Sonnenuntergang markiert das Schofarhorn das Ende des Fastens.

Der Fastentag wird auch von sonst religionsfernen Juden sehr ernst genommen. Im Judentum ist der Yom Kippur nicht nur ein Tag der „Peinigung“, sondern symbolisiert in erster Linie ein Fest der Versöhnung zwischen Gott und seinem auserwählten Volk.

Tag der Besiegelung

Nach jüdischem Glauben besiegelt der Schöpfer das Urteil über jeden einzelnen Menschen am Yom Kippur. Die zehntägige Bußzeit zwischen Rosch HaSchana, dem jüdischen Jahreswechsel, bis zum Versöhnungstag ist beendet. In dieser Zeit versuchten sowohl gläubige als auch säkulare Juden Meinungsverschiedenheiten und Streit mit ihrer Familie, Freunden und ihrem sozialen Umfeld zu bereinigen. Man bittet einander um Verzeihung und darf seinem Nächsten vergeben. Genauso wie wir selbst bei unserem Schöpfer um die Vergebung unserer Sünden bitten. Als Zeichen der Reue wird am Yom Kippur gefastet. Zurückzuführen ist das Verbot, flüssige und feste Nahrung aufzunehmen, auf das dritte Buch Mose: „Am zehnten Tage des siebenten Monats sollt ihr fasten und keine Arbeit tun, weder ein Einheimischer noch ein Fremdling unter euch. Denn an diesem Tage geschieht eure Entsühnung, dass ihr gereinigt werdet; von allen euren Sünden werdet ihr gereinigt vor dem Herrn.“

Seit der Zerstörung des zweiten Tempels wird der Yom Kippur nicht mehr von den Hohepriestern im Tempel von Jerusalem zelebriert. Heute darf jeder einzelne den heiligen Versöhnungsdienst im Tempel seines Herzens verrichten.


Fokus Jerusalem wünscht allen unseren Lesern ein gesegnetes „Zom Kal ve Gmar Hatima Tova“ – „Ein einfaches Fasten und eine gute endgültige Versiegelung (Ihres Namens im Buch des Lebens)“


Titelbild: Ein ultraorthodoxes Kind betet am Ende des Yom Kippur-Feiertags an der Westmauer in Jerusalem. Foto: Yonatan Sindel / Flash90

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