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Geplante Justizrefom schlägt hohe Wellen: Oberste Richterin fürchtet um die Demokratie

JERUSALEM, 13.01.2023 (TM) – Die geplante Justizreform der neuen israelischen Regierung wird heftig kritisiert. Richter und Staatsanwälte warnen vor schwerwiegenden Folgen für den Rechtsstaat. Die Regierung Netanjahu will die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs beschneiden. Der soll künftig nicht mehr vom Parlament beschlossene Gesetze stoppen können. Stattdessen können die Abgeordneten einen entsprechenden Beschluss des Obersten Gerichts mit einfacher Mehrheit zurückweisen. Netanjahu erklärte, er sehe darin eine Stärkung der Demokratie: Die Gesetzgebung gehöre in die Hände derjenigen, die dafür vom Volk gewählt seien.

Blankoscheck für die Knesset“

Die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Esther Hayut, sieht das ganz anders. Sie unterstrich, die Umsetzung der Reform würde der demokratischen Identität des Landes einen „fatalen Schlag“ versetzen. In einer Rede am Donnerstagabend in Haifa erklärte Hayut, die weitreichenden Änderungen am Rechtssystem würden die Unabhängigkeit der Justiz auf fatale Weise untergraben, der Knesset einen „Blankoscheck“ für die Verabschiedung beliebiger Gesetze ausstellen – selbst unter Verletzung grundlegender Bürgerrechte – und den Gerichten die Instrumente vorenthalten, die sie als Kontrolle der Exekutive benötigen.

Sie kritisiert die geplante Justizreform scharf: Esther Hayut, die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs.
Foto: Yonatan Sindel/Flash90

„Eine der wichtigsten Funktionen eines Gerichts in einem demokratischen Land ist der wirksame Schutz der Menschen- und Bürgerrechte“, fuhr sie fort und fügte hinzu, dass die Unabhängigkeit der Gerichte eine entscheidende Garantie für die individuelle Freiheit sei. „Sie ist die Garantie dafür, dass die Herrschaft der Mehrheit nicht in eine Tyrannei der Mehrheit umschlägt.“ Die obersten Gerichte in den USA, Kanada und Deutschland hätten ihre Befugnisse zur gerichtlichen Überprüfung viel stärker genutzt und weit mehr Gesetze aufgehoben als der israelische Oberste Gerichtshof.

Auch Staatsanwälte warnen

In einem beispiellosen Schritt unterzeichneten fast alle Generalstaatsanwälte und Staatsanwälte seit 1975 ein Schreiben, in dem sie erklärten, dass die Regierung „das Justizsystem zu zerstören droht“. In dem Schreiben heißt es: „Der Plan schlägt eine Änderung der Methode zur Ernennung von Richtern vor und verwandelt damit den Obersten Gerichtshof von einer unabhängigen Institution, die ohne Furcht und ohne Voreingenommenheit entscheidet, in ein quasi-politisches Gremium, das im Verdacht steht, das Gesetz voreingenommen zugunsten der Regierung anzuwenden. … Sie ermöglicht es einer Koalitionsmehrheit, jede Handlung der Regierung, egal wie falsch und schädlich sie sein mag, zu legalisieren.“ Gegen die Reformpläne demonstrierten Rechtsanwälte vor Gerichten in Jerusalem, Tel Aviv und Haifa.

Smotrich: Zeit für einen Neustart

Justizminister Yariv Levin wies die Kritik zurück. Er warf Gerichtspräsidentin Hayut vor, sie solidarisiere sich mit den politischen Gegnern der Regierung und hetze gegen sie. Zahlreiche Likud-Abgeordnete schlossen sich an und hielten dem Obersten Gericht vor, es stehe auf der linken Seite des politischen Spektrums und urteile entsprechend. Finanzminister Bezalel Smotrich meinte, Hayuts Rede beweise, warum Levins vorgeschlagene Umstrukturierung der Justiz notwendig sei: „Die Arroganz, die Demagogie, die festgefahrenen Positionen, die Intoleranz, die Oberflächlichkeit der Argumente und die Ablehnung jedes Fünkchens von Kritik, wie wir sie gehört haben, haben das öffentliche Vertrauen in das Justizsystem auf einen Tiefpunkt gebracht“, schrieb Smotrich auf Twitter: „Die Zeit ist reif für einen Neustart.“

Foto: Ein Rechtsanwalt demonstriert vor dem Obersten Gericht in Jerusalem gegen die geplante Justizreform. Foto: Yonatan Sindel / Flash 90

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