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Politisches Erdbeben – Oberster Gerichtshof entscheidet: Arje Deri darf nicht weiter als Minister fungieren

JERUSALEM, 19.01.2023 (NH) – Mit 10 zu 1 Stimmen hat der Oberste Gerichtshof Israels entschieden, dass der amtierende Innen- und Gesundheitsminister und Vorsitzende der ultraorthodoxen Schas-Partei, Arje Deri, nicht mehr als Minister amtieren kann. Die dramatische Entscheidung des Richter-Komitees stützt sich auf frühere strafrechtliche Verurteilungen des Knesset-Abgeordneten. Der Oberste Gerichtshof hat offiziell die Ernennung Deris wegen „extremer Unangemessenheit“ für ungültig erklärt. Das Urteil droht das Land in eine weitere schwere Regierungskrise zu stürzen.

Mildere Strafe habe politischen Rücktritt beinhaltet

Arje Deri wurde wegen Bestechung und Betrugs im Jahr 1999 strafrechtlich belangt und zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Im Februar vergangenen Jahres, während Deri Mitglied der Knesset war, wurde der Minister erneut wegen Steuerdelikten gerichtlich belangt. Seine angebliche Aussage, sich aus dem politischen Leben zurückzuziehen, habe damals Gewicht bei der Festlegung von Deris Strafe gehabt. Arje Deri habe nicht von einer vorübergehenden oder gar kurzen Pause als Regierungsmitglied gesprochen, erklärte das Richtergremium.

In der gestrigen Verhandlung deutet Richter Willner ein wiederkehrendes Verhaltensmuster des Ministers heraus. Deri habe mit seinen Straftaten wiederholt die Rechtsstaatlichkeit missachtet und verletzt. Das Opfer sei in diesem Fall die israelische Öffentlichkeit. „Dieses Muster widerspricht der Erwartung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“, erklärt Willner. Ein Knesset-Minister habe „als Vorbild zu agieren und des Vertrauens würdig zu sein, dass ihm die Bürger des Landes gegeben haben.“

Wie wirkt sich das Urteil auf die Knesset aus?

Politischen Quellen zufolge habe Arje Deri nun die Möglichkeit, kurzfristig aus eigenen Stücken die Regierung zu verlassen. In der Zwischenzeit würde Ministerpräsident Netanjahu und der Schas-Vorsitzende versuchen, ein Gesetz zu verabschieden, das Deri ermöglicht, ein weiteres Mal als Minister zu amtieren. Ein Gesetz zur Wiederernennung Deris zu verabschieden wäre eine Revolution an sich.

Ein weiteres Szenario könnte ein erzwungener Rücktritt des vorbestraften Innen- und Gesundheitsministers sein. Es wird jedoch erwartet, dass der 64-Jährige in diesem Fall den Rücktritt seiner Schas-Partei aus der Koalition ankündigen wird. Die Mehrheit der Koalition wäre dann nicht mehr gegeben und die Regierung würde die Kontrolle in der Knesset zu verlieren.

Als dritte und äußerst extreme Möglichkeit wird Deri trotz der Disqualifizierung des Obersten Gerichtshofes seinen Regierungssitz neben Netanjahu nicht räumen und wie gewohnt weiter amtieren. Der Akt wäre illegal und könnte das Land in eine nie dagewesene Krise stürzen.

Arje Deri verlässt gestern Abend seine Wohnung. Er antwortete dem Obersten Gerichtshof: „Wenn sie die Türe schließen – kommen wir durch das Fenster. Schließen sie das Fenster, werden wir mit Gottes Hilfe die Decke durchbrechen.“

Hunderte pilgern zu Deris Wohnsitz in Jerusalem

Die gesamte Schas-Partei zeigt sich über den ‚“skandalösen und willkürlichen Rechtsspruch“ schockiert. „Die Entscheidung des Gerichts ist politisch und äußerst unvernünftig“, so der Parteisprecher. Weiter erklärt die Partei, der Oberste Gerichtshof habe „heute die Stimmen von 400.000 Wählern der Schas-Bewegung weggeworfen“. Nach der Disqualifikation trafen sich neben Benjamin Netanjahu und Bezalel Smotrich auch der „Rat der Thora-Weisen“ bei Arje Deri zu Hause, um weitere Schritte zu besprechen. Hunderte Menschen versammelten sich vor der Wohnung in Jerusalem, um ihre Solidarität mit dem Partei-Vorsitzenden zu bekunden. Israels Premierminister erklärte: „Mein Bruder ist in Not und ich komme ihm zur Hilfe.“ Bereits in den vergangenen Tagen drohte die Partei: „Wenn Deri nicht in der Regierung amtiert, wird es keine Regierung geben.“ Die orthodoxe Partei fordert nun von Netanjahu, das Problem schnell zu lösen, um die Stabilität der Koalition zu untermauern.

Am Morgen wurde bekannt, dass man erwäge, Deri zum Knessetsprecher zu ernennen. Dieses einflussreiche Amt könnte er trotz des Richterspruchs ausüben.

Titelbild: Die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Esther Hayut (Mitte) und das Richterkomitee bei der Gerichtsverhandlung. Sie führte zur Annullierung der Minister-Ernennung des Schas-Vorsitzenden Arje Deri aufgrund seiner Vorstrafen. Foto: Yonatan Sindel / Flash90

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