zurück zu Aktuelles

Präsident Herzog: Stoppt die Justizreform – kommt zu Verhandlungen

JERUSALEM, 13.02.2023 (NH) – Israels Präsident Isaac Herzog hat in einer hoffnungsvollen Ansprache dazu aufgerufen, die geplante Rechtsreform zu stoppen. Herzog rief die Parteien schon fast verzweifelt dazu auf, sich auf einen Kompromiss zu einigen und legte einen Verhandlungsplan mit fünf Hauptprinzipien vor. Die von Herzog vorgetragenen Leitlinien sollen als „Grundlage für sofortige und zielgerichtete Verhandlungen dienen und die Beziehungen zwischen den Behörden regeln“. Der Staatspräsident hofft so, dass die Parteien in der schwersten politischen Krise des Staates Israels zu einer Einigung finden.

„Das Land am Rande eines konstitutionellen Zusammenbruchs“

In seiner gestrigen Rede an das israelische Volk ermahnte Präsident Herzog dass „wir am Rande des konstitutionellen und sozialen Zusammenbruchs stehen“. Die geplante Justizreform in ihrem jetzigen Konzept könne Herzog zufolge negative Auswirkungen auf die demokratischen Grundlagen des Landes haben. Daher legte der Präsident fünf Grundprinzipien für weitere Verhandlungen zwischen den festgefahrenen Parteien vor. „Wir befinden uns mitten in schicksalhaften Tagen für unser Volk und sein Land“, beginnt der israelische Staatschef seine Rede. „Ich habe in den vergangenen Wochen mit aller Kraft daran gearbeitet, Vereinbarungen herbeizuführen. Beide Seiten müssen verstehen, dass, wenn nur eine Seite gewinnt, wir alle verlieren. Wir befinden uns schon lange nicht mehr in einer politischen Debatte, sondern am Rande des konstitutionellen und gesellschaftlichen Zusammenbruchs“, so Herzog.

Israels Präsident zeigt Verständnis für die Gründe der Reform. „Die Reform ist nicht aus dem Nichts entstanden – sie ist die Frucht eines Lagers innerhalb des Volkes, das das Gefühl hat, dass sich ein Ungleichgewicht zwischen den Behörden entwickelt hat. Dieser Schmerz unserer Brüder und Schwestern ist real, ihn abzulehnen oder zu ignorieren, ist ein großer Fehler“, erklärt Herzog. Der Präsident bezieht sich damit auf die nicht vorhandene Volksvertretung orientalischer Juden im israelischen Rechtssystem und somit die geplante Änderung des Wahlausschusses zur Ernennung von Richtern. In der neuen Reform soll die Richterwahl von der Koalition als Vertretung des Volkes gewählt werden. Dennoch deutete Herzog an, dass die Reform in ihrem jetzigen Format das Potenzial aufweise, „die demokratischen Grundlagen des Staates Israel zu beeinträchtigen“. Herzog untermauert die Sorge vieler säkularer Juden, die verstehen, dass hinter der Reform von Benjamin Netanjahu und seinem Justizminister eine nationalistische Koalition steht.

Isaac Herzog zufolge wären die israelischen Gerichte der „Glanz“ des Landes. Sie schützen die Gesellschaft und den Staat nicht nur vor Verbrechen und internationaler Verfolgung von israelischen Soldaten, sondern auch vor dem Verlust von Recht und Moral.

Fünf Leitlinnien für weitere Verhandlungen

In seinem fünf-Punkte-Plan erörtert Herzog die Grundgesetzgebung und mit ihr die Verankerung der Befugnis des Obersten Gerichtshofes sowie die gerichtliche Überprüfung von Gesetzen, die keine Grundgesetze sind. Als weiteres Prinzip deutet Herzog die gerichtliche Arbeitsüberlastung heraus. In allen OECD-Ländern sei die Zahl der Richter pro 100.000 Einwohner dreimal so hoch wie in Israel. Gerichtsverhandlungen werden deshalb uneffektiv und ziehen sich über Jahre hinweg. Der Präsidenten erwartet von der israelischen Regierung und der Präsidentin des obersten Gerichtshofs, Esther Hayut, diese enorme Kluft mit einer Reform im kommenden Regierungshaushalt zu lösen. Ein weiterer Punkt bezieht sich auf das das Vertrauen zwischen dem Justizsystem und dem israelischen Volk. Im Heiligen Land werden jährlich mehr als 800.000 neue Gerichtsverfahren eröffnet. Das Rechtssystem wird der Belastung nicht gerecht. Herzog rief den Justizminister Jariv Levin und Präsidentin Hayut dazu auf, einen Plan aufzustellen, der das Justizsystem unterstützt.

In einem der wichtigsten Leitprinzipien verlangte Herzog die Veränderung der Richterwahl in Israel. Der Präsident zielt auf „ein angemessenes und faires Gleichgewicht und Gleichheit zwischen den Behörden“. Herzog wird „keine strukturierte Mehrheit für eines der Systeme sowohl für die Regierung als auch für die Justiz“ zulassen. Es sei äußerst wichtig, dass keiner der Ausschüsse eine Mehrheit bei der Wahl innehabe.

Ob die Parteien nach Isaac Herzogs Appell zu Gesprächen und Verhandlungen bereit sind, wird sich zeigen. Die Gefahr jedoch, dass es zwischen Rechtssystem und Regierung zu keinem Dialog kommen wird, ist groß. Für heute werden Massenstreik und -proteste vor der Knesset erwartet.

Titelbild: Der israelische Präsident Isaac Herzog ruft die Parteien zum Dialog auf. Foto: Tomer Neuberg/Flash90

Weitere News aus dem Heiligen Land