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Palästinensische Fraktionen warnen Israel vor der Rückkehr zu gezielter Tötungs-Politik

JERUSALEM, 25.04.2023 (NH) – Israel hat blutige Wochen hinter sich. Neben anhaltenden Spannungen und gewalttätigen Eskalationen auf dem Jerusalemer Tempelberg, kämpfte Israel mit brutalen Terroranschlägen und Raketenbeschuss an gleich mehreren Fronten. Der jüdische Staat scheint im Zugzwang, die Spielregeln nach den jüngsten Angriffen neu zu definieren. Jetzt befürchtet Gaza, Israel könne im Kampf gegen den Terror den Schwerpunkt erneut auf gezielte Tötungen legen. Hamas-Sprecher drohen mit massiven Vergeltungsmaßnahmen, sollte Israel seine „Mord-Politik“ wieder aufnehmen.

Hamas droht mit Vergeltung

Zu Beginn des Monats zeigte sich Hamas-Führer Yahya al-Sinwar bei einer hetzerischen Rede unter freiem Himmel. Der hochrangige Terrorkopf trat am Al-Quds-Tag (Jerusalem-Tag) vor die Bewohner des Gazastreifens und versprach, „die Widerstandskräfte in Gaza mit materieller und logistischer Unterstützung aus dem Iran wiederaufzubauen“ und den „Weg nach Jerusalem zu ebnen“. Auf den ersten Blick erschien der Terrorchef furchtlos, doch laut palästinensischen Quellen geht die Hamas davon aus, Israel könnte ihre Führung bereits im Visier haben.

Jetzt drohen palästinensische Fraktionen mit einer „entschlossenen und sofortigen Reaktion des militärischen Flügels“, sollte Israel hochrangige Terror-Führer töten. Mehrere Führer der Hamas und des islamischen Dschihad sollen bereits „beispiellose Vorsichtsmaßnahmen“ ergriffen haben.

Die Terrorgruppen nehmen an, dass Hamas-Chef Yahya Sinwar und Saleh Arouri, der stellvertretende Vorsitzende des Hamas-Politbüros, auf den israelischen Tötungs-Listen ganz oben stehen. Hamas-Sprecher berichten, die Organisation sei auf jede israelische „Aggression“ gefasst und darauf vorbereitet, „an mehr als einer Front zu reagieren“.

Gezielte Tötungen als effektive Terrorbekämpfung

Tatsächlich griff Israel in der Vergangenheit mehrfach auf gezielte Tötungen als erfolgreiches Abschreckungsmittel zurück. Die ranghöchste Person, die bei einer gezielten Tötung ums Leben kam, war der Gründer und geistige Führer der Terrororganisation Hamas, Ahmad Yasin. Er wurde am 22. März 2004 bei einem Angriff der israelischen Armee zusammen mit mindestens sieben weiteren Personen durch drei Hellfire-Raketen eines Kampfhubschraubers getötet.

Am 17. April 2004 starb sein Nachfolger, Abd al-Aziz ar-Rantisi. Sein Fahrzeug wurde bei einem Angriff mit einem Hubschrauber der israelischen Armee von mindestens zwei Raketen getroffen. Am 12. November 2019 wurden Baha Abu al-Ata, der Führer des islamischen Dschihad im Gazastreifen, und seine Frau gezielt in ihrer Wohnung durch eine Bombe getötet.

Die Eliminierung hochrangiger Terroristenführer beeinflusste die operativen Fähigkeiten der verschiedenen Terrorzellen. Gerade bei einer kleineren Terrororganisation, wie dem islamischen Dschihad, erwies sich ein solcher Militärschlag als äußerst effektiv. Andererseits  motivieren „israelische Attentate“ die Mitglieder der Terrorzellen zu  erneuten Angriffen auf Israel – besonders, wenn dann in der breiten palästinensischen Bevölkerung der Ruf nach Rache laut wird.

Terrorismusforscher erklärten, dass gezielte Tötungen weder die Terrororganisation auslöschen  noch deren Weltanschauung verändern. Die Beseitigung eines hochrangigen Terroristen habe zwar einen starken Einfluss auf die Organisation, doch habe das Ganze eher einen kurzfristigen Effekt.

Gezielte Tötungen zerstören in keiner Weise die Ideologie einer Terrororganisation, doch scheinen sie ein wichtiges Werkzeug im Kampf gegen den Terror zu sein. Ob Israel seine Eliminierungs-Politik im Schatten der jüngsten Gewaltwelle wieder aufnimmt, wird sich zeigen.

Titelbild: Yahya al-Sinwar, Chef der palästinensisch-islamistischen Hamas-Bewegung, nahm an einer Kundgebung anlässlich des jährlichen Al-Quds-Tages in Gaza-Stadt teil. Foto: Atia Mohammed/Flash90

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