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Skandal in Israels Militär – forderten technische Fehlfunktionen das Leben der drei Soldaten?

JERUSALEM, 05.06.2023 (NH) – Israel hat seine drei an der ägyptischen Grenze ermordeten Kämpfer auf den Militärfriedhöfen ihrer Heimatstädte beigesetzt. Tausende erwiesen den Soldaten die letzte Ehre und begleiteten die Familien in den schweren Stunden. In herzzerreißenden Traueransprachen nahmen Familienangehörige, Freunde und Bekannte Abschied von den drei jungen Soldaten, die als glänzende und liebevolle Vorbilder beschrieben wurden. Die Trauerfeiern werden jedoch von Berichten über skandalöse Versäumnisse und technische Fehlfunktionen überschattet. Hätte die Tragödie verhindert werden können?

Skandalöses Versäumnis

Israelische Sicherheitskräfte hatten in der Nacht zum Samstag im Negev einen millionenschweren Drogenschmuggel vereitelt. Die Soldaten Uri Yitzhak Iluz und Lia Ben-Nun waren etwa drei Kilometer entfernt stationiert. Gegen 4:15 Uhr antworteten die beiden Soldaten ein letztes Mal auf eine Funkanfrage. Nachdem der Wachposten nicht mehr auf Funkanrufe reagierten, begab sich erst fünf Stunden später eine Soldatin zu dem Grenzposten und fand die beiden dort tot auf. Nach israelischem Militärprotokoll sind die Truppen zu einer stündlichen Kontaktkontrolle verpflichtet. Durch das Versäumnis wurde das Militär erst gegen 9 Uhr über den Terroranschlag informiert. Zur gleichen Zeit wurde auf ägyptischer Seite ein Polizeibeamter als vermisst gemeldet.

Gegen 11 Uhr identifizierte eine Militärdrohne den Verdächtigen, der sich hinter einem Felsvorsprung versteckte. Ein Bodenkommando näherte sich entgegen den Befehlen dem Ägypter und geriet in ein Feuergefecht. Ohad Dahan wurde dabei tödlich verletzt. Erst ein zweites Militärkommando, das den Tatort einige Minuten später erreichte, tötete den Ägypter. Ein weiterer Soldat wurde bei dem Schusswechsel leicht verwundet.

Sicherheitskräfte an dem Wachposten, an dem am Samstag zwei israelische Soldaten ermordet wurden. Foto: IDF Spokesperson

Fehlfunktionen reihen sich

Zwei israelische Nachrichtensender berichten von einer katastrophalen Fehleinschätzung, wodurch die Kampfhubschrauber der israelischen Luftwaffe während der Operation am Boden blieben. Aus diesem Grund habe zunächst der Bodentrupp den Tatort erreicht, was zu einem weiteren Todesopfer führte.

Ersten Ermittlungen zufolge ist der Terrorist durch ein sogenanntes „Nottor“ in Israel eingedrungen. Dabei handelt es sich um einen kleinen Übergang im Grenzzaun, der zwar nur provisorisch mit Kabelbindern verschlossen, jedoch mit hochsensiblen Sicherheitssensoren ausgerüstet ist. Die Plastikbänder durchschnitt der Attentäter problemlos mit einem der beiden Kampfmesser, die er bei sich trug, und gelangte so zu dem 300 Meter entfernten Wachposten von Uri Yitzhak Iluz und Lia Ben Nun. Warum die Sensoren bei der Infiltration keinen Alarm auslösten, wird jetzt untersucht.

Das kleine Grenztor im Sicherheitszaun. Warum die Infiltration keinen Alarm auslöste, wird nun untersucht. Foto: IDF Spokesperson

Motiv: Religiöser Extremismus

Israels Generalstabschef Herzi Halevi ernannte ein Militärteam, das die Untersuchungen des tödlichen Attentats leiten soll. Das Team soll die Reihe der „systemischen“ Fehler durchleuchten, die den blutigen Angriff ermöglicht haben.

Der Handlungsablauf des Terroristen untermauert zudem den Verdacht, dass sich der ägyptische Polizist in dem Grenzgebiet auskannte und seine Tat detailliert geplante hatte. Neben den Kampfmessern trug er Wasser, sechs Magazine für sein Maschinengewehr und einen Koran bei sich. Die Menge der Magazine deutet auf die Planung eines größeren Anschlages hin. Die muslimische Schrift führt zu der Annahme, dass es sich bei dem Täter um einen Extremisten handelte.

Das Attentat in der arabischen Presse

Das israelische Militär kooperiert bei den Ermittlungen mit Ägypten und versucht auch das Motiv des Täters zu durchleuchten. Ägypten behauptete zu Beginn, der Polizeibeamte habe verdächtige Drogenschmuggler verfolgt und sei während der Verfolgungsjagd in einen Schusswechsel verwickelt  worden, der den Tod von drei israelischen Soldaten verursachte.

Der Terroranschlag wird in der regimenahen ägyptischen Zeitung Al-Ahram als „Unfall“ dargestellt. Die Zeitung Al-Youm Al-Sabea berichtete gar von einem Wachmann, „der die Grenze überquerte, um Schmuggler zu verfolgen, wobei es zu einem Schusswechsel kam, bei dem drei israelische Soldaten getötet, zwei weitere verletzt und der Polizist ermordet wurden“. Hinweise, dass es sich bei dem Vorfall um einen Terroranschlag handelte, suchte man gestern in allen ägyptischen Tageszeitungen vergeblich.

Titelbild: Die Beerdigung von Lia Ben-Nun (19). Familie und Freunde nehmen Abschied.  Foto: Avshalom Sassoni/Flash90

    

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