
***FREIGELASSEN*** Die Gesichter & Geschichten hinter den Geiseln – Keith Samuel Siegel
JERUSALEM, 28.04.2024 (NH) – Wir wollen den Geiseln in Gaza ein Gesicht geben und ihre Geschichte erzählen. Wir wollen gemeinsam unseren Alltag für ein paar Minuten anhalten und für die Heimkehr eines jeden Einzelnen beten.
„Wer auch nur ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“ (Mischna, Sanhedrin 4:5)
Keith Samuel Siegel (64), Kibbuz Kfar Aza
Keith und Aviva Siegel leben seit mehr als 40 Jahren in dem Grenzkibbuz Kfar Aza. Das damals junge Paar verliebte sich in die wunderschöne Gemeinde und brachte ihre vier Kinder in dem idylischen Landstrich zur Welt. Daneben ist das Paar auch stolze Großeltern von fünf Enkelkindern. Keith, der ursprünglich aus North Carolina stammt, wird als ruhiger, freundlicher Mann beschrieben, der sein gesamtes Leben seiner Frau, seinen Kindern und Enkelkindern widmet. Der 64-Jährige arbeitet bei einem Pharmazeutikaunternehmen, seine Ehefrau Aviva ist als außergewöhnliche Kindergärtnerin und liebevolle Person bekannt. Das Ehepaar Keith freute sich laut Familienberichten auf ein ruhiges Simchat-Thora Wochenende in ihrem Zuhause in Kfar Aza.
Am 7. Oktober griffen Hamasterroristen in den frühen Morgenstunden die Grenzgemeinde an. Über Stunden massakrierten sie die Kibbuzbewohner: Menschen wurden bei lebendigem Leib verbrannt, Gliedmassen und Organe amputiert, Frauen, Männer und Kinder vergewaltigt. 79 Menschen wurden an diesem Morgen bestialisch ermordet, einige von ihnen aus derselben Familie. 18 Kibbuzmitglieder wurden von der Hamas entführt, darunter ganze Familien, Frauen und Kinder.

Terroristen wüten in Kfar Aza
Ihre jüngste Tochter Shir (27), Sozialarbeit-Studentin an der Universität Haifa, lebt ebenfalls in Kfar Aza. Shir war an diesem Wochenende verreist und erinnert sich an den Schwarzen Schabbat: „Am Tag vor der Entführung haben mich meine Eltern noch an den Strand gefahren. Ich erinnere mich, dass die Fahrt sehr stressig war und meine Mutter war wegen der Straßenbedingungen genervt. Ich sagte ihr: ‚Mama, alles ist in Ordnung, es ist nur eine holprige Straße, dir wird nichts passieren“, erzählt die 27-Jährige. Die junge Frau berichtet, wie sie am Morgen des 7. Oktober zunächst hörte, dass Terroristen versuchten, das Haus ihres Nachbars zu stürmen. Der Mann kämpfte mutig gegen die Eindringlinge, bis sie schließlich von ihm abließen und weiterzogen. „Eine Freundin von mir schrieb, es gebe auch in ihrem Kibbuzabschnitt Terroristen. Sie sagte, es gäbe keinen Ausweg, die Terroristen sind überall“, so Shir. Die 27-Jährige versuchte immer wieder, ihren Vater anzurufen, der jedoch nicht ans Telefon ging. Ihr Anruf auf dem Telefon ihrer Mutter wurde weggedrückt – Keith und Aviva hatten Angst, am Telefon zu sprechen und so schrieben sie sich in der gemeinsamen Whatsapp-Gruppe der Familie. Doch dann brach der Kontakt ab. Die Tochter der beiden war sich sicher, dass ihre zarten und feinfühligen Eltern nicht versuchten, gegen die Terroristen vorzugehen.

Entführt mit dem eigenen Auto
Keith wurde gemeinam mit seiner Aviva (62) in ihrem Haus gefangen genommen. Am nächsten Morgen erhielten Shir und ihre Schwestern einen Anruf von einem Militäroffizier: „Sie sagten uns, sie hätten das Haus meiner Eltern betreten und es sei leer. Die Fenster sind zerbrochen, die Türen offen, aber keine Menschenseele. Ein paar Stunden später rufe ich den Kibbuzvorsitzenden an, der sagt, dass ein Nachbar von meinen Eltern gesehen hat, wie Terroristen sie nach Gaza gebracht haben“. Die offizielle Benachrichtigung über die Entführung der beiden Eltern bekam die Familie erst einige Tage später. Eine israelische Geheimdienstquelle kontaktierte die Kinder und fragte nach dem Nummernschild ihres Vaters. Die hinterbliebenen Angehörigen überprüften das Zulassungsschild und stellten schockiert fest, dass ihre Eltern tatsächlich in ihrem eigenen Auto nach Gaza verschleppt wurden. Am nächsten Tag tauchte ein Hamas-Video auf, das die Entführung des Siegel-Ehepaares dokumentiert. Das ältere Paar wurde zusammen mit einer weiteren Nachbarin und ihren beiden Kindern entführt.
Aviva wurde am 26. November im Rahmen eines vorübergehenden Waffenstillstands- und Geiselabkommens zwischen der Hamas und Israel nach 51 Tagen Geiselhaft freigelassen. Ihren geliebten Ehemann musste sie zurücklassen.

Innerhalb einer Woche nahm Aviva an einer großen Kundgebung auf dem sogenannten „Geiselplatz“ in Tel Aviv teil. Die 62-Jährige hielt ein Plakat mit dem Foto ihres Ehemannes. Später berichtete Aviva von den brutalen Demütigungstaktiken der Hamas und der sexuellen Gewalt, welcher die entführten Frauen und Männer in Geiselhaft hilflos ausgesetzt sind. „Wir sind alle motiviert, ihn dort herauszuholen. Das hat jetzt Priorität“, erklärte Avivas Zwillingsschwester Fiona Wax. „Wir sind untröstlich und machen uns große Sorgen.“

Keith, wir beten für Deine Rückkehr.
***UPDATE***
Yarden Bibas (35), Ofer Kalderon (53) und Keith Siegel (65) wurden am 1. Februar 2025 nach 483 Tagen Geiselhaft freigelassen. Die Übergabe an das Rote Kreuz erfolgte in den frühen Morgenstunden an zwei verschiedenen Orten im Gazastreifen. Die drei Männer standen auf eigenen Beinen, aber man sah ihnen an, dass sie Schreckliches durchgemacht hatten. Alle drei waren wie immer Teil einer pompösen, brutalen Propagandashow der Terroristen. Auf einer Bühne, umringt von schwer bewaffneten Hamas-Kämpfern, mussten die Israelis in die Menge winken, bis sie feierlich den Vertretern des Roten Kreuzes übergeben wurden. Auf einem Militärstützpunkt nahe der Gaza-Grenze konnten die Freigelassenen nach fast 16 Monaten endlich ihre Angehörigen in die Arme schließen. Willkommen zu Hause!

Titelbild: Keith Samuel Siegel. Foto: privat