
Netanjahu bei den US-Demokraten im Weißen Haus: Eine frostige Freundschaft
JERUSALEM / WASHINGTON, 26.07.2024 (TM) – Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sich in Washington mit dem scheidenden US-Präsidenten Joe Biden getroffen. Es gab auch ein 40-minütiges Gespräch mit Vizepräsidenten Kamala Harris, der mutmaßlichen Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei. Beobachter beschrieben die Stimmung als frostig. Der Besuch des israelischen Regierungschefs in den USA wird zudem von Protesten gegen den Gazakrieg überschattet.
„Wir kennen uns seit 40 Jahren, und Sie kennen jeden israelischen Premierminister seit 50 Jahren, seit Golda Meir“, sagte Netanjahu zu Biden, als sie nebeneinander auf Stühlen im Oval Office saßen, umgeben von Dutzenden von Reportern. „Als stolzer israelischer Zionist und stolzer irisch-amerikanischer Zionist möchte ich Ihnen für fünfzig Jahre öffentlichen Dienst und fünfzig Jahre Unterstützung für den Staat Israel danken.“
Deutliche politische Differenzen
Die beiden unterhielten sich anschließend rund eineinhalb Stunden hinter verschlossenen Türen. Die politischen Differenzen zwischen den beiden prägten die vergangenen zwei Jahre: Biden weigerte sich lange, Netanjahu ins Weiße Haus einzuladen. Dies war zunächst auf seine Ablehnung von Netanjahus Justizreformplan zurückzuführen, dann auf seine Frustration mit Netanjahu über die Wahl seiner Regierungspartner und seine Ablehnung einiger Schritte Israels im Gaza-Krieg. Die Beziehungen wurden zusätzlich belastet, als die USA Sanktionen gegen „extremistische jüdische Siedler“ beschlossen.
Besonders deutlich wurden die Differenzen zwischen der israelischen Regierung und den US-Demokraten beim Treffen von Netanjahu mit Vizepräsidentin Harris. Sie trat anschließend alleine vor die Presse und unterstrich, dass es „hoffnungsvolle Bewegungen“ bei den Geiselgesprächen gegeben habe und dass sie Premierminister Netanjahu gesagt habe, es sei an der Zeit, dieses Abkommen zu vollenden.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris drängt auf eine möglichst schnelle Waffenruhe im Gazastreifen. Foto: Amos Ben-Gershom / GPO
Harris bezeichnet die Hamas als „brutale Terrororganisation“, die mit ihrem Angriff am 7. Oktober den Krieg ausgelöst habe, der auch „schreckliche Akte sexueller Gewalt“ umfasse. Gleichzeitig äußerte sie ihre „ernste Besorgnis“ über das Ausmaß des menschlichen Leids in Gaza, einschließlich des Todes von viel zu vielen unschuldigen Zivilisten. „Was in den letzten neun Monaten in Gaza geschehen ist, ist verheerend. Die Bilder von toten Kindern und verzweifelten, hungrigen Menschen, die in Sicherheit fliehen – manchmal schon zum zweiten, dritten oder vierten Mal.“
Israelis kritisieren Harris-Rede
Kritik an den Aussagen von Harris gab es aus der israelischen Delegation. Ihre öffentliche Betonung einer „schweren humanitären Krise“ im Gazastreifen und der Notwendigkeit, „den Krieg zu beenden“, habe den Geiselverhandlungen geschadet, sagte ein israelischer Vertreter. Israels Finanzminister Bezalel Smotrich erklärte in Jerusalem, Harris verlange von Israel „vor Hamas-Führer Sinwar zu kapitulieren. Es wird keinen Waffenstillstand in Gaza geben.“
Eine wärmere und freundschaftlichere Atmosphäre herrschte bei einer Begegnung von Netanjahu mit dem Multimilliardär und Tesla-Chef Elon Musk. Die beiden diskutierten über Chancen und Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz, ihren Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft sowie über Möglichkeiten der technologischen Zusammenarbeit mit Israel.
Heute trifft Netanjahu den früheren US-Präsidenten und republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump in dessen Anwesen Mar-a-Lago in Palm Beach in Florida.
Titelbild: Benjamin Netanjahu war der erste ausländische Staatsführer, den US-Präsident Joe Biden nach seiner Covid-Erkrankung im Weißen Haus empfangen hat. Foto: Amos Ben-Gershom / GPO