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Nach sechs Monaten Krieg: Israel vor schwierigen Entscheidungen

JERUSALEM, 08.04.2023 (TPS) – Sechs Monate nach Beginn des Krieges mit der Hamas steht Israel vor der Entscheidung, entweder einen Mehrfrontenkrieg zu beginnen oder diplomatische Beziehungen mit anderen arabischen Ländern aufzunehmen.

Israel hat sich auf bestimmte Kriegsziele festgelegt, aber solange die Geiseln gefangen gehalten werden, die Hamas-Truppen im Gazastreifen bleiben und ihr Chef Yahya Sinwar auf freiem Fuß ist, werden der Iran und seine Stellvertreter weiter auf Zeit spielen und darauf setzen, dass der Westen einen Waffenstillstand erzwingt.

Einerseits rechnen es die Araber Israel hoch an, dass es allein gegen die iranische Achse aus Hamas, Hisbollah, Huthis, irakischen Milizen und dem Korps der Islamischen Revolutionsgarden kämpft. Israel hat auch eine beeindruckende Reihe von geheimdienstlichen Erfolgen vorzuweisen. Aber die Araber nehmen Israel auch als ein Land wahr, das um seine Existenz kämpft und keine roten Linien kennt. Trotz der Tötung von 12.000 Terroristen und 32.000 Luftangriffen haben Hamas und Hisbollah nach Angaben der israelischen Streitkräfte seit dem 7. Oktober zusammen 12.200 Raketen abgefeuert.

USA kein verlässlicher Partner

Sowohl die gemäßigten arabischen Staaten als auch der Iran und seine Verbündeten haben eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen Jerusalem und Washington festgestellt. Diese Verschlechterung kommt vor allem in den amerikanischen Drohungen zum Ausdruck, seine Politik zu überdenken, Waffenlieferungen zu stoppen, in der Rhetorik über humanitäre Hilfe und in der Resolution des UN-Sicherheitsrates, die ohne amerikanisches Veto verabschiedet wurde.

Zudem nehmen sie die amerikanische Schwäche wahr, da US-Außenminister Antony Blinken sechs Besuche im Nahen Osten absolviert hat, ohne nennenswerte Ergebnisse zu erzielen. Die Reibungen zwischen den Verbündeten und die Schwäche Washingtons haben die Hamas ermutigt, ihre Haltung in den Geiselverhandlungen zu verhärten.

Sowohl im Gazastreifen als auch in den Palästinensischen Autonomiegebieten ist der Krieg als „Nakba 2023“ tief im Bewusstsein der Palästinenser verankert. Die Zahl der getöteten Palästinenser ist nicht von unabhängiger Seite verifiziert. Die Hamas spricht von mehr als 33.000 Toten, eine Zahl, die von Israel und anderen Experten als unzuverlässig bezeichnet wird. Nach israelischen Schätzungen hat die Hamas 75 Prozent ihrer militärischen Stärke verloren.

Abbas ist kein Reformer

In der Zwischenzeit versucht sich die Palästinensische Autonomiebehörde als Regierung für den Nachkriegs-Gazastreifen zu positionieren, die der Vision des US-Präsidenten Joe Biden von einer reformierten Institution entspricht. Die Agenda sieht unter anderem vor, die aufgeblähte und ineffiziente Bürokratie der Palästinensischen Autonomiebehörde abzubauen, die Diplomaten, die die Autonomiebehörde im Ausland vertreten, auszutauschen und einen internen Selbstüberprüfungsmechanismus einzuführen.

In Ramallah glaubt allerdings niemand, dass Abbas die Reformen durchsetzen wird. Eine Umfrage des palästinensischen Zentrums für Politik und Meinungsforschung vom März ergab, dass 81 Prozent der befragten Palästinenser in Judäa, Samaria und Gaza mit Abbas’ Führung unzufrieden sind und 84 Prozent seinen Rücktritt fordern.

Im Libanon hat Israel seine Bereitschaft zu einem Feldzug gegen die Hisbollah signalisiert, mit Luftangriffen auf Einrichtungen der Terrorgruppe bis nach Baalbek im Norden und der Ausschaltung von Hamas-, Hisbollah- und iranischen Kommandeuren dort und in Syrien. Die aggressiven Angriffe Israels zwangen Hisbollah-Führer Scheich Hassan Nasrallah, seine roten Linien immer wieder neu zu ziehen.

Arabische Publikationen berichten, Nasrallah habe seinen iranischen Gönnern versprochen, Teheran nicht in einen umfassenden regionalen Krieg hineinzuziehen. Andere arabische Berichte gehen noch weiter und behaupten, Iran und die USA hätten sich im Januar auf eine Nichtausweitung des Krieges geeinigt.

Und noch eine Zahl taucht in der arabischen Berichterstattung über die Lage in Israel immer wieder auf: 100.000 Demonstranten, die in Tel Aviv wieder auf die Straße gegangen sind, um ihren Widerstand gegen die israelische Regierung zum Ausdruck zu bringen. Für die Terrorgruppen ist diese innere Zerrissenheit Israels eine Ermutigung.

Bild: Zerstörte Häuser durch das Massaker, das vor sechs Monaten im Kibbuz Kfar Aza stattgefunden hat. Foto: Chaim Goldberg / Flash 90

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