„Sie sehen sich als Soldaten des Dschihad“: Bei Gefangenenaustausch freigelassene Palästinenser kehren zum Terror zurück
JERUSALEM, 30.08.2024 (TPS) – Der Tod des 18-jährigen Jibril Ghassan Jibril bei einem israelischen Luftangriff vor vier Tagen verdeutlicht ein wachsendes Problem: Palästinenser, die im November im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freigelassen wurden, wenden sich wieder dem Terror zu.
Jibril war kurz nach dem 7. Oktober verhaftet worden, weil er Sprengstoff auf Soldaten geworfen hatte und Mitglied der Hamas war. Im November kam er im Rahmen eines Abkommens über eine vorübergehenden Waffenruhe und die Freilassung israelischer Geiseln frei.
Sein Bruder sagte dem israelischen Fernsehsender Channel 14, Jibril habe die Rückkehr zum Terror als „Begleichung einer Schuld“ gegenüber den Palästinensern in Gaza betrachtet: „Wie bin ich aus dem Gefängnis gekommen? Ich wurde im Rahmen eines Deals freigelassen, und jetzt muss ich die Schuld begleichen“, zitierte ihn sein Bruder.
240 Gefangene aus Gefängnis entlassen
Ende November hatte Israel 240 palästinensische Gefangene freigelassen, 107 von ihnen waren zwischen 14 und 17 Jahre alt. Einige waren wegen Sicherheitsvergehen verurteilt worden, andere warteten auf ihren Prozess vor einem Militärgericht. Im Gegenzug ließ die Hamas 81 entführte Israelis, 23 Thailänder und einen Philippino frei. „Es ist nicht so, dass die freigelassenen Terroristen jetzt den Terror in Samaria anführen, aber sie haben Terroranschläge verübt und sind in den Untergrund gegangen“, sagte Maurice Hirsch dem israelischen Pressedienst TPS. Hirsch ist Direktor der „Initiative für Rechenschaftspflicht und Reform der Palästinensischen Autonomiebehörde“ am Jerusalem Center for Public Affairs.
„Wir sehen noch nicht das ganze Bild. Die Schwierigkeit besteht auch darin, dass sich Israel im Gegensatz zu früheren Abkommen nicht bereit erklärt hat, Terroristen, die zum Terror zurückkehren, für den Rest ihrer Strafe ins Gefängnis zu stecken. Bestenfalls werden sie für das, was sie nach ihrer Freilassung getan haben, erneut bestraft“, so Hirsch.
Hirsch leitete die israelische Militärstaatsanwaltschaft in Judäa und Samaria in den Jahren nach dem Gefangenenaustausch von Gilad Shalit (2011). Damals hat Israel 1.027 palästinensische und israelisch-arabische Sicherheitsgefangene im Austausch für den Soldaten Shalit freigelassen, der 2006 von der Hamas entführt worden war. Unter den freigelassenen Palästinensern war damals Yahya Sinwar, der die Anschläge vom 7. Oktober geplant hat und heute der starke Mann der Hamas im Gazastreifen ist.
Von den insgesamt 1.027 freigelassenen Terroristen kehrten mindestens 20 Prozent zum Terrorismus zurück, aber Hirsch fügte hinzu, dass „wir nicht genügend Informationen über sie haben“, die tatsächliche Zahl sei höher. „Terroristen sehen sich als Soldaten des Dschihad“, erklärte Hirsch, „das ist der Preis für jeden Deal, der die Freilassung von Terroristen beinhaltet.“
Jugendliche kämpfen als Dschihadisten
Jibril war nicht der einzige palästinensische Jugendliche, der nach seiner Freilassung im November zum Terror zurückkehrte: Tarek Daoud wurde bei einem Schusswechsel mit Soldaten in Qalqilya getötet, nachdem er auf einen israelischen Zivilisten geschossen hatte, der am 12. August die Stadt betrat. Drei Tage später wurde der 17-jährige Wael Masha bei einem israelischen Drohnenangriff in Sichem (Nablus) getötet. Masha und ein weiterer Bewaffneter hatten auf Soldaten geschossen.
Zwei Palästinenserinnen, die im November freigelassen wurden, Hanan Barghouti und Dania Hanatsha, wurden erneut verhaftet, weil sie an der Erstellung von Pro-Hamas-Videos beteiligt waren, die zur Gewalt aufriefen.
Seit dem 7. Oktober haben die israelischen Sicherheitskräfte in Judäa und Samaria mehr als 4.400 palästinensische Terrorverdächtige festgenommen, von denen nach Armeeangaben rund 1.850 der Hamas angehören. Es wird erwartet, dass ein Großteil von ihnen auf freien Fuß kommt, falls ein neues Abkommen mit der Hamas über die Freilassung der israelischen Geiseln vereinbart wird.
Bild: Das Nitzan-Magen-Gefängnis in der zentralisraelischen Stadt Ramla. Foto: Koby Natan/TPS