„Ein Fehler und er ist tot“ – wie kommuniziert Top-Terrorist Sinwar seit 11 Monaten, ohne enttarnt zu werden?
JERUSALEM, 16.09.2024 (NH) – Israel investiert mit amerikanischer Hilfe enorme Ressourcen, um den Drahtzieher der mörderischen Terrorinvasion vom 7. Oktober zu finden und zu töten. Trotz israelischer operativer Kontrolle über weite Teile des Gazastreifens ist es den Streitkräften bisher nicht gelungen, Hamas-Führer Yahya Sinwar zu fassen.
Nun hat das amerikanische Wall Street Journal einen ausführlichen Artikel über die geheimen Kommunikationsmethoden des Hamas-Führers veröffentlicht. Demnach hat Sinwar Methoden entwickelt, um mit der Außenwelt zu kommunizieren, ohne sein Versteck in den Terrortunneln der Organisation preiszugeben. Sinwar stützt sich auf ein komplexes Netzwerk von verschlüsselten handschriftlichen Botschaften, die nicht nur von Hamas-Terroristen, sondern auch von zivilen Boten überbracht werden.
Glückwünsche aus den Terrortunneln
Der Bericht des Wall Street Journal wurde veröffentlicht, nachdem der Hamas-Chef gestern Nachmittag ein Glückwunschschreiben an den Führer der jemenitischen Huthi-Terrororganisation, Abdul Malik Badreddin al-Houthi, geschickt hatte. Die „besondere Botschaft“ wurde nur einen Tag nach dem Abschuss einer ballistischen Rakete auf Israel an den Huthi-Führer gerichtet. „Ich freue mich, Euch diesen Brief am Jahrestag der Geburt des Propheten Mohammed zu schreiben, während wir gemeinsam in der gesegneten Schlacht kämpfen. Ich gratuliere Euch dazu, dass Eure Raketen die Tiefen Israels erreicht haben und dabei alle Abwehr- und Abfangsysteme umgangen haben“, schreibt Sinwar. Der Brief wurde später auch vom Fernsehsender Al-Masira ausgestrahlt.
Doch wie kann der palästinensische Serienmörder sein Terrorregime auch nach elf Monaten noch aufrechterhalten?
Sinwar verschärft die Kommunikationsmethoden
„Die Sekunde, in der er nicht aufpasst, könnte seinen Tod bedeuten“, erklärt Thomas Withington, Experte für elektronische Kriegsführung, gegenüber dem Wall Street Journal. Deshalb habe Sinwar im Schatten der Ermordung hochrangiger Hamas- und Hisbollah-Funktionäre seine Kommunikationsmethoden verschärft. Der Wendepunkt sei die Ermordung des hochrangigen Hamas-Terroristen Saleh al-Arouri am 2. Januar in Beirut gewesen. Seither verzichte der Terrorchef auf elektronische Kommunikationsmittel und könne so den hochtechnisierten israelischen Geheimdienst umgehen. Arabische Gesprächspartner verrieten dem Wall Street Journal, Sinwar kommuniziere nun fast ausschließlich schriftlich oder mündlich. Die Nachrichten werden zunächst an ein Hamas-Mitglied weitergeleitet. Diese „Vertrauensperson“ gibt die Nachricht über eine Reihe von Boten, darunter auch Zivilisten, an den Empfänger weiter.
Sinwars komplizierte und getarnte Kommunikationsmethoden sollen auf einem System basieren, das er während seiner Haft in israelischen Gefängnissen entwickelte. Bevor Sinwar 1988 von Israel verhaftet und anschließend inhaftiert wurde, gründete der Hamas-Führer die interne Sicherheitspolizei der Terrororganisation, den „Majid“. Der „Hamas-Geheimdienst“ rekrutierte Agenten in dem „Sawad“ genannten Gefängnis, die verschlüsselte Nachrichten von einem Trakt zum anderen überbrachten. Die Majid agierten als verlängerter Arm von Sinwar und waren für die Hinrichtung vermeintlicher Kollaborateure in israelischen Gefängnissen verantwortlich.
Live-Boykott der Doha-Verhandlungen
Wer glaubt, dass die schriftliche Korrespondenz Sinwars Reaktionszeit verlangsamt, irrt. Das Wall Street Journal betont, der Terrorchef sei nach wie vor in der Lage, schnell und manchmal sogar in Echtzeit mit der Außenwelt zu kommunizieren.
Berichten zufolge boykottierte Sinwar die Verhandlungen über ein Geiselabkommen, die im vergangenen Juni in Doha stattfanden. In diesem Fall weigerte sich die Hamas, ein Abkommen zu akzeptieren, wenn Israel sich nicht schriftlich zu einem umfassenden Waffenstillstand verpflichtete. Zu anderen kritischen Verhandlungspunkten war er jedoch nicht zu erreichen. Es ist unklar, ob es sich dabei um eine bewusste Verhandlungstaktik oder um tatsächliche Verzögerungen aufgrund der komplexen Kommunikationsmethoden Sinwars handelt.
Titelbild: Yahya Sinwar, Führer der islamistischen palästinensischen Hamas-Bewegung, bei einem Treffen mit Mitgliedern der Ezzedine al-Qassam-Brigaden, dem bewaffneten Flügel der palästinensischen Hamas-Bewegung. Foto: Attia Muhammed/Flash90