Steht nach fast 14-monatigen Kämpfen ein Waffenstillstand mit der libanesischen Terrororganisation Hisbollah bevor?
JERUSALEM, 26.11.2024 (NH) – Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wird heute um 17.30 Uhr israelischer Zeit das Kabinett für politische Sicherheit einberufen. Ein möglicher Waffenstillstand im Norden steht auf der Tagesordnung. Die Sitzung soll bis 21.00 Uhr dauern. Zuvor war bereits eine endgültige Einigung mit dem Libanon erzielt worden. Israel habe dem US-Vermittler Amos Hochstein grünes Licht gegeben, das vereinbarte Abkommen voranzutreiben. Libanesische Vertreter teilten der Nachrichtenagentur Reuters mit, in den Augen der Biden-Administration, deren Ziel es sei, einen Waffenstillstand zwischen den Parteien zu erreichen, könne ein Abkommen „innerhalb weniger Stunden“ in Kraft treten. Es gebe keine „ernsthaften Hindernisse“ mehr für die Umsetzung der vorgeschlagenen Regelung, so der stellvertretende Sprecher des libanesischen Parlaments.
Was beinhaltet das Abkommen?
Während der französische Präsident Emmanuel Macron und der amtierende US-Präsident Joe Biden das Abkommen bereits in den frühen Morgenstunden erwartet hatten, berichten libanesische Fernsehsender, der Waffenstillstand werde innerhalb von 36 Stunden kommen. Nach israelischen Angaben sind die meisten Gräben auf dem Weg zu einer Einigung kleiner geworden. Es gebe lediglich „einige neue Formulierungen“. Der Waffenstillstand selbst soll sofort in Kraft treten.
Israel verpflichtet sich dem Abkommen zufolge, sich innerhalb von 60 Tagen aus dem Südlibanon zurückzuziehen und das Gebiet von der Nordgrenze bis zum Litani-Fluss der libanesischen Armee und den UNIFIL-Truppen zu übergeben. Der Libanon verpflichtet sich seinerseits, die Hisbollah daran zu hindern, sich erneut zu bewaffnen und ihre terroristische Infrastruktur südlich des Litani-Flusses wieder aufzubauen. Erst nach dem vollständigen Rückzug der israelischen Truppen und einer Prüfung der Umsetzbarkeit des Abkommens wird Israel den evakuierten Bewohnern des Nordens die Rückkehr in ihre Häuser gestatten.
Wichtiges Zusatzabkommen mit den USA
Das Abkommen sieht die Einrichtung eines internationalen Komitees unter dem Vorsitz der USA vor, das Verstöße gegen das Abkommen auf der Grundlage der Resolution 1701 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen durchsetzen soll. Diese Resolution wurde am Ende des Zweiten Libanonkrieges verabschiedet. Großbritannien und Frankreich möchten ebenfalls Mitglieder dieses Komitees werden. Die Französische Republik beabsichtigt, Truppen in den Libanon zu entsenden, um bei der Umsetzung der Bestimmungen vor Ort zu helfen.
Einer der wichtigsten Punkte des Abkommens wurde jedoch in einem Zusatzdokument festgehalten, das nicht vom Libanon oder der Hisbollah, sondern von den USA unterzeichnet wurde. Darin behält sich der jüdische Staat die Handlungsfreiheit vor, auf Raketenbedrohungen sofort reagieren zu können. Außerdem werde die israelische Armee den Waffenschmuggel von Syrien in den Libanon (auf syrischer Seite) umgehend unterbinden. Nicht unmittelbare Drohungen gegen das Heilige Land sollen von einem sogenannten Exekutivkomitee behandelt und von der libanesischen Armee und der UNIFIL umgesetzt werden. Sollte die Bedrohung jedoch nicht von dritter Seite erfolgen, wird Israel unter Berufung auf sen Recht auf Selbstverteidigung handeln. Der jüdische Staat hofft, dass die neue Trump-Administration Israel tatsächlich Handlungsfreiheit einräumen wird. Der Libanon hätte diesem kritischen Hauptpunkt nicht zugestimmt, da Beirut in Israels „Handlungsfreiheit“ eine Verletzung seiner Souveränität sieht.
Folgt auf die Waffenruhe ein Geiseldeal?
Israel hofft, dass ein Abkommen mit dem Libanon auch die Hamas im Gazastreifen zu einer Waffenruhe und einem Geiseldeal bewegen könnte. Das jetzige Abkommen mit der Hisbollah, nach fast 14 Monaten Krieg, signalisiere den Terrorbrüdern in der Enklave, dass sie nun „die Schlacht allein schlagen müssen“. Doch die USA zeigen sich wenig optimistisch – nach Erkenntnissen der US-Geheimdienste hat die Hamas zuletzt rund 10.000 neue Kämpfer rekrutiert und ist entschlossen, den Kampf fortzusetzen.
Im Schatten des bevorstehenden Waffenstillstands droht jedoch kurzfristig noch eine massive Verschärfung der Kämpfe an der Nordgrenze und des Beschusses durch die libanesische Terrororganisation.
Titelbild: Folgt einem Abkommen mit dem Libanon auch eine Waffenruhe mit der Hamas? Foto: IDF