Im Schatten des Den Haager Haftbefehls: Netanjahu wird nicht am 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz teilnehmen
JERUSALEM, 22.12.2024 (NH) – Am 27. Januar findet in Polen die Gedenkfeier zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz statt. Zu den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag werden mehrere Dutzend Staats- und Regierungschefs erwartet. In Israel haben sich nun die Befürchtungen bestätigt: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wird nicht an den Veranstaltungen in Auschwitz teilnehmen. Polnischen Zeitungsberichten zufolge befürchte Netanjahu, nach dem Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag auf polnischem Boden verhaftet zu werden. Der stellvertretende Außenminister Polens, Władysław Bartoszewski, der die Zeremonie koordiniert, erklärte: „Wir sind verpflichtet, die Entscheidungen des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag zu respektieren“.
Israel und Russland ausgeladen
Seit vergangener Woche kursieren Befürchtungen, dass der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nicht an den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz in Polen teilnehmen kann. Grund für das Fernbleiben des israelischen Regierungschefs sind die kürzlich vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag erlassenen Haftbefehle gegen den Premier und den ehemaligen israelischen Verteidigungsminister. Das berichtete am Freitag die renommierte liberale polnische Zeitung „Razphospolita“. Eine Quelle aus dem Büro des Ministerpräsidenten dementierte den Bericht und erklärte, der Besuch in Polen sei „überhaupt nicht geplant gewesen und es habe auch keine Einladung gegeben“. Ein weiteres Land, das ebenfalls keine Einladung zu den Gedenkfeierlichkeiten erhalten habe, sei Russland. Das obwohl Soldaten der Roten Armee das Lager damals von den Nazis befreit hatten.
An der Gedenkfeier werden mehrere Dutzend Staats- und Regierungschefs teilnehmen. Quellen zufolge wird Außenminister Gideon Sa’ar den jüdischen Staat bei der Zeremonie vertreten. Wie es weiter hieß, wird Präsident Isaac Herzog nicht zu der Zeremonie in Polen erwartet. Dies steht im Gegensatz zum 75. Jahrestag, an dem der ehemalige Präsident Reuven Rivlin teilnahm.
Israels Regierungschef darf keinen Fuß auf europäischen Boden setzen
Vor einem Monat hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Haftbefehle gegen Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant erlassen. Netanjahu und Gallant werden „Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Mord, Verfolgung und unmenschliche Handlungen, begangen zwischen dem 8. Oktober 2023 und mindestens dem 20. Mai 2024 (Datum des Haftbefehls)“ vorgeworfen. Der Gerichtshof stellte außerdem fest, dass der israelische Ministerpräsident und der israelische Verteidigungsminister gegen die Genfer Konvention von 1949 verstoßen haben. Der Beschluss verlangt von den Unterzeichnerstaaten des Internationalen Gerichtshofes, de facto alle 27 Staaten der Europäischen Union, den Haftbefehl zu vollstrecken. EU-Staaten wie Spanien, die Niederlande, Belgien, Irland, Litauen und Slowenien haben bereits bestätigt, sie würden Netanjahu trotz seiner diplomatischen Immunität festnehmen.
Die große Frage war bisher jedoch, ob auch Länder, die als israelfreundlich gelten, der Anordnung Folge leisten würden. Bisher hat nur der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban erklärt, Netanjahu im Falle eines Besuchs nicht zu verhaften. Orban ging sogar so weit, Netanjahu in sein Land einzuladen.
Vor rund drei Wochen kündigte Israel an, beim Internationalen Strafgerichtshof Berufung gegen die Haftbefehle einlegen zu wollen. Zudem bat der jüdische Staat um einen Aufschub der Vollstreckung.
Titelbild: Das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau in Polen. Auschwitz war ein Netzwerk von Konzentrations- und Vernichtungslagern, das während des Zweiten Weltkriegs von Nazi-Deutschland im besetzten Polen errichtet und betrieben wurde. Es war das größte der deutschen Konzentrationslager. Foto: Nati Shohat/Flash90