
Zaghafte Hoffnung trotz Angst – das Leben in Nordisrael nach Dauerbeschuss der Hisbollah
von Alon David
Man kann es weder echte Freude, noch tatsächliche Erleichterung nennen und vielleicht ist sogar das Wort Zuversicht noch zu viel gesagt – aber langsam kehrt ein fragiles Gefühl der Hoffnung zurück in den Norden Israels. Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 wurde mein zu Hause und alle anliegenden Ortschaften zu einer lebensbedrohlichen und unbewohnten Region – von einem Tag auf den anderen fanden wir uns in einem Kriegsgebiet wieder, denn die libanesische Terrororganisation Hisbollah versuchte über ein Jahr lang, das Leben im Norden Israels zu zerstören und zwang fast 100.000 Israelis zur Evakuierung. Das Kibbuz Dan, in dem ich lebe, liegt weniger als zwei Kilometer von der libanesischen Grenze entfernt. Sirenen, Raketen- und Drohnenalarme wurden hier zum traurigen, bitteren Alltag. Unzählige getroffene Häuser und zerstörte zivile Einrichtungen zeugen nach wie vor von dem Schrecken des Terrors aus dem Libanon.
Die Angst ist geblieben
Jetzt herrscht seit einigen Wochen eine Feuerpause und die Einwohner könnten mit ihren Familien nach über 15 Monaten zum ersten Mal wieder in ihre zu Hause zurück kehren, doch nach wie vor sehen die Kibbuzim verlassen aus, die Menschen haben immer noch Angst. Vor allem diejenigen mit Kindern wagen es noch nicht, zurück zu kommen. Auch wenn die Hisbollah den Beschuss vorerst eingestellt hat und durch das Eingreifen der israelischen Armee stark geschwächt wurde, ist der Terror nicht vollständig besiegt – und die libanesische Armee schafft es eigenständig nicht, die Terrororganisation soweit in Schach zu halten, wie es nötig wäre, um die Sicherheit der Menschen vollumfänglich garantieren zu können. Das ist einer der Hauptgründe, warum Israel nach wie vor militärische Präsenz zeigen muss und sich nicht zurück ziehen kann. Zudem mussten viele, die evakuiert wurden, ihre Kinder zum Beginn des Schuljahres in fremder Umgebung zu neuen Schulen schicken; diese Familien werden erst im Sommer überhaupt in Erwägung ziehen können, wieder zurück zu kommen.
Trotz allem gibt es zaghafte Anzeichen dafür, dass die ersten Einwohner des Nordens sich trauen, wieder zu hoffen – auf die Rückkehr zu einem neuen Alltag nach dem Krieg. Im Kibbuz treffe ich den befreundeten Gärtner Gera, der in den Gärten meiner Nachbarn die Arbeit aufgenommen hat und helfen will, die zu Geisterstädten gewordenen Orte mit zugewucherten Grünanlagen und kniehohem Gras wieder in Schuss zu bringen.
Grüne Oase des Friedens
Er erzählt mir, dass sein Telefon ununterbrochen klingelt und er von einem Kibbuz zum nächsten fährt, wo seine Hilfe dringend gebraucht wird. Auch er hofft, wie alle, dass der Norden Israels, der vor dem Krieg eine friedliche und wunderschöne Oase des Friedens gewesen ist, langsam wieder zur Ruhe kommen kann und das Leben zurück kehrt – wie lange das noch dauern wird, weiß hier noch niemand. Mit Terroristen als Nachbarn, deren einziges Ziel ist, dich und dein Volk zu vernichten, sind Zukunftsprognosen nicht möglich.
Aber die Menschen in Israel haben sich im Gegensatz zu unseren Feinden immer zum Leben hin orientiert – und so, wie unser Gärtner hilft, die Gärten wieder erblühen zu lassen, so werden auch wir alles tun, die zerstörten Häuser wieder aufzubauen, einander zu helfen, wieder zur Normalität zurück zu finden und trotz all des Schmerzes, Schreckens und Terrors weiter zu leben. Denn ein anderes zu Hause haben wir nicht.
Titelbild: Die vernachlässigten Gärten in Nordisrael werden wieder zum Blühen gebracht. Foto: Alon David
