
Warum bombardiert der Iran Israel erst nach Anbruch der Dunkelheit? Teherans strategische und technologische Kriegsführung
JERUSALEM, 17.06.2025 (NH) – Seit dem israelischen Überraschungsangriff auf das iranische Atomprogramm hat Teheran Israel weitgehend mit nächtlichem Raketenhagel angegriffen. So verhielt es sich auch in der Raketen-Nacht vom 13. auf den 14. April des vergangenen Jahres, als mehr als 300 Drohnen und Raketen auf Israel abgefeuert wurden, sowie bei einem weiteren Angriff im Oktober. Tatsächlich benötigen die Iraner nicht nur den Schutz der Dunkelheit, um ihre Raketen zu betanken. Die nächtlichen Salven fordern ihren Tribut und schlagen sich im Gemüt der israelischen Bevölkerung nieder. Die Israelis versuchen derzeit, in einem Spagat zwischen Sicherheits-Lockdown und nächtlichem Chaos nicht nur die Nerven zu bewahren, sondern auch die Moral der breiten Bevölkerung aufrechtzuerhalten.
Die Raketensalven, die meist in mehreren Wellen nach Einbruch der Dunkelheit über dem jüdischen Staat hereinbrechen, sollen dem Iran einen taktischen und strategischen Vorteil verschaffen. Doch was steckt tatsächlich hinter der Wahl des nächtlichen Raketenterrors und wie wirkt sich der Beschuss zugunsten Teherans aus?
Nächtlicher Beschuss bringt Systeme an ihre Grenzen
Die derzeit über Israel hereinbrechenden Raketen sind schwer und haben große Reichweiten. Die meisten von ihnen scheinen mit angereichertem Kerosin betrieben zu werden. Daher erfolgt die Betankung jeder Rakete vor ihrem Start langsam und vorsichtig. Dadurch laufen die Iraner Gefahr, dass der Raketenwerfer von israelischen Systemen entdeckt und zerstört wird. Die Dunkelheit bietet dem iranischen Raketensystem daher die notwendige Tarnung.
Weiter gelten die israelischen Luftverteidigungssysteme als die modernsten der Welt. Die Abwehrsysteme sind in verschiedene Schichten untergliedert. Der bekannte „Iron Dome” Israels wehrt Kurzstreckenraketen ab, „David’s Sling” agiert gegen taktische Raketen und „Arrow 2” und „Arrow 3” halten ballistische Raketen außerhalb der Atmosphäre ab. Die vier Systeme basieren auf einer Kombination aus Radar- und elektrooptischen Sensoren, die bei Dunkelheit an ihre Grenzen stoßen. Bei schlechter Sicht wird eine erneute Informationsverarbeitung von den Abwehrsystemen erfordert, was manchmal zu einer Verzögerung von äußerst kritischen Sekunden in der Abwehr führen kann. Bei massiven Raketensalven müssen Radar und Sensoren eine doppelte Verifizierung durchführen. Das kann zu einem um 2 bis 3 Sekunden verspäteten Raketenabfang führen, was gravierende Folgen haben kann.

Bombardement als Psychoterror
Mit seinem nächtlichen Beschuss will Teheran auch ohne präzise Treffer Angst und Schrecken in der Zivilbevölkerung erzeugen. Neben dem materiellen Schaden führen der Klang der Sirenen, die massiven Explosionen, die darauffolgenden Schreckensmeldungen und die kurzen Nächte in den Schutzbunkern auch zu psychischen Schäden.
Trotz alledem hat die israelische Bevölkerung jedoch wiederholt ihre außergewöhnliche Widerstandsfähigkeit sowie ihr tiefes Vertrauen in ihre Streit- und Sicherheitskräfte bewiesen. Trotz der iranischen Zermürbungstaktik, die derzeit mit einem Sicherheits-Lockdown verbunden ist, hält die israelische Gesellschaft ihre Moral hoch. So bildet sich im Kampf gegen das iranische Regime eine stabile undurchbrechbare Mauer aus militärischen Fähigkeiten und ziviler Standhaftigkeit gegen Teheran.
Titelbild: Abfangen eines iranischen Raketenangriffs auf Israel, gesehen im Norden Israels nahe der Grenze zum Libanon, am 16. Juni 2025. Foto: Ayal Margolin/Flash90