
Israel nennt Gutachten des Internationalen Gerichtshofs „vorhersehbar und beschämend“
JERUSALEM / DEN HAAG, 23.10.2025 (TPS) – Israel hat ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) verurteilt. Die Richter verraten die Auffassung, Israel als „Besatzungsmacht“ in Gaza sei gesetzlich verpflichtet, die Lieferung humanitärer Hilfe zu erleichtern. Das gelte auch für die Aktivitäten des Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge (UNRWA).
„Korrupter politischer Zirkus“
In einer Erklärung bezeichnet das Außenministerium in Jerusalem diese Entwicklung als „völlig vorhersehbar“ und lehnt das Gutachten kategorisch ab. „Dies ist ein weiterer politischer Versuch, unter dem Deckmantel des ‚Völkerrechts‘ politische Maßnahmen gegen Israel zu erzwingen. UNRWA-Mitarbeiter waren direkt an dem Massaker vom 7. Oktober beteiligt und unterstützen weiterhin die Hamas. Bis heute beschäftigt die UNRWA mehr als 1.400 Hamas-Aktivisten. Israel wird nicht mit einer von terroristischen Aktivitäten durchsetzten Organisation zusammenarbeiten“, betont das Ministerium. Außenminister Gideon Sa’ar kritisierte den Internationalen Gerichtshof scharf und bezeichnete das in Den Haag ansässige Tribunal als „korrupten politischen Zirkus“.
Der israelische UN-Botschafter Danny Danon nannte das Urteil beschämend. „Sie geben Israel die Schuld dafür, dass es nicht mit UN-Organen zusammenarbeitet. […] Sie sollten sich selbst die Schuld geben“, sagte Botschafter Danon. „Diese Organe sind zu Brutstätten für Terroristen geworden. Nehmen Sie zum Beispiel die UNRWA, eine Organisation, die die Hamas jahrelang unterstützt hat.“
In einer öffentlichen Erklärung forderte ICJ-Präsident Yuji Iwasawa Israel dazu auf, sicherzustellen, dass die Bevölkerung im Gazastreifen Zugang zu den Grundbedürfnissen wie Nahrung, Wasser und Medikamenten hat. „Das Gericht ist der Ansicht, dass Israel Hilfsprogramme der Vereinten Nationen und ihrer Einrichtungen, einschließlich der UNRWA, akzeptieren und erleichtern muss“, so Iwasawa weiter.
Druck auf Israel wächst
Die Entscheidung fiel, nachdem Israel Gesetze verabschiedet hatte, welche die Aktivitäten der UNRWA innerhalb seines Hoheitsgebiets einschränken.
Das Urteil hat die internationale Debatte über Israels Verantwortlichkeiten nach dem Völkerrecht, den Zugang zu humanitärer Hilfe in Konfliktgebieten und die Rolle der UN-Organisationen bei der Bereitstellung von Hilfe inmitten der anhaltenden Spannungen in der Region neu entfacht. Das Gutachten ist rechtlich nicht bindend. Es ist jedoch zu erwarten, dass der Druck auf Israel, die Aktivitäten der UNRWA wieder zuzulassen, noch weiter zunehmen wird.
Die USA und viele andere Länder haben sich noch nicht geäußert. Deutschland erklärte, dass es die humanitären Verpflichtungen unterstütze, äußerte jedoch Vorbehalte hinsichtlich der Neutralität der UNRWA. Das Außenministerium in Berlin forderte eine „ausgewogene Umsetzung“ im Rahmen der Bemühungen um einen Waffenstillstand.
Kanada befürwortete die humanitären Aspekte vorsichtig und drängte durch Außenministerin Mélanie Joly auf eine „sofortige Ausweitung der Hilfe“. Dabei vermied sie jedoch eine vollständige Angleichung und verwies auf die Drohungen der Hamas.
Das Vereinigte Königreich erkannte das „bedeutende moralische Gewicht“ der Stellungnahme an; der Außenminister forderte Israel auf, die Hilfslieferungen sicherzustellen, lehnte jedoch eine vollständige Unterstützung unter Verweis auf Sicherheitsbedenken ab. London bestätigte seine Stimmenthaltung bei entsprechenden Resolutionen der UN-Generalversammlung.
Frankreich begrüßte die Forderung nach humanitärem Zugang; das Büro von Präsident Macron erklärte, dies „unterstreiche die Notwendigkeit der Einhaltung der Genfer Konventionen“, kritisierte jedoch gleichzeitig die Hamas.
Ägypten und Jordanien kritisieren Israel
Das ägyptische Außenministerium forderte Israel auf, „die Besatzung unverzüglich zu beenden, alle neuen Siedlungsaktivitäten einzustellen und alle bestehenden Siedlungen zu räumen“.
Der jordanische Außenminister Ayman Sadadi sagte: „Die Straffreiheit Israels muss ein Ende haben. Seine Kriegsverbrechen müssen gestoppt werden. Israel muss zur Rechenschaft gezogen werden.“
Titelbild: Palästinenser erhalten Nahrungsmittelhilfe vom Welternährungsprogramm (WFP) in Zusammenarbeit mit dem Hilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) in Khan Yunis im südlichen Gazastreifen. Foto: Abed Rahim Khatib/Flash90