zurück zu Aktuelles

2.700 Jahre altes assyrisches Siegel, das auf einen Steuerstreit hindeutet, in Jerusalem entdeckt

JERUSALEM, 24.10.2025 (TPS-IL/NH) – Zum ersten Mal haben Archäologen in Jerusalem eine assyrische Inschrift aus der Zeit des Ersten Tempels entdeckt. Sie liefert einen seltenen Beweis für die offizielle Korrespondenz zwischen dem assyrischen Reich und dem Königreich Juda. Die winzige Keilscherbe ist somit das erste physische Beweisstück für eine Korrespondenz dieser Art. Sie bietet einen seltenen Einblick in die politischen Spannungen und möglichen Streitigkeiten – wie beispielsweise verspätete Tributzahlungen oder Rebellionen –, die die angespannte Beziehung prägten.

Historisches Siegel neben der Westmauer entdeckt

Der außergewöhnliche Fund ist die erste assyrische Inschrift aus der Zeit des Ersten Tempels (8. bis 7. Jahrhundert v. Chr.), die jemals in der Stadt gefunden wurde. „Ich grub im Schlamm und bemerkte plötzlich eine kleine Scherbe mit einer seltsamen Verzierung. Bei näherer Betrachtung sah es wie eine Art Keilschrift aus, was mir jedoch völlig unvernünftig erschien. Ich jubelte vor Aufregung“, erzählt die Archäologin Moriah Cohen, die glückliche Entdeckerin der spannenden Scherbe. „Für mich persönlich ist der Gedanke unglaublich aufregend, dass ich nach 2.700 Jahren der erste Mensch bin, der diese Keramik tatsächlich mit meinen Händen berührt. Es ist wirklich eine einmalige Entdeckung.“

Das nur 2,5 Zentimeter große Fragment wurde neben der Westmauer in der Altstadt von Jerusalem mithilfe des Nasssiebverfahrens entdeckt, das von der „Archäologischen Erfahrung“ im Emek-Tzurim-Nationalpark durchgeführt wurde. Die Scherbe trägt Inschriften in Akkadisch, der Sprache Assyriens. Die wissenschaftlichen Ausgrabungen finden unter der Leitung von Dr. Ayala Zilberstein von der israelischen Altertumsbehörde in Zusammenarbeit mit der City of David Foundation und mit Unterstützung der Hebräischen Universität Jerusalem sowie der Universität Tel Aviv statt.

„Das ist ein außergewöhnlicher Fund“, berichtet Dr. Zilberstein. „Die Inschrift ist ein direkter Beweis für die offizielle Korrespondenz zwischen dem assyrischen Reich und dem Königreich von Juda. Die Entdeckung stärkt unser Verständnis für die Tiefe der assyrischen Präsenz in Jerusalem und das Ausmaß ihres Einflusses und ihrer Beteiligung an der Führung der Angelegenheiten des judäischen Königreichs.“

Dr. Ayala Silberstein und die seltene Scherbe. Foto: Emil Aladjem/Israelische Altertumsbehörde

Fragment wurde neben einem Abflusskanal entdeckt

Das kleine Antiquitätenfragment wurde in Erde entdeckt, die bis an den Rand des zentralen Entwässerungskanals der Stadt gespült worden war. Die Erdanhäufung stammt vermutlich vom Einsturz eines früheren Bauwerks aus der Zeit des Ersten Tempels. In diesem Gebiet war der spätere Entwässerungskanal nicht erhalten, was den Zugang zur früheren Schicht ermöglichte. Die Stätte liegt am Osthang des Westhügels von Jerusalem und gehört zu den nächstgelegenen Orten westlich des Tempelkomplexes. Es scheint, dass dieses Viertel, das sich damals an den Hängen entwickelte, der Schwerpunkt für die Aktivitäten hochrangiger Minister und Persönlichkeiten war.

Eine Analyse des altertümlichen Fragments deutet darauf hin, dass es Teil eines königlichen Siegels oder einer Bulle gewesen sein könnte, mit der zum damaligen Zeitpunkt offizielle Briefe des assyrischen Hofes verschlossen wurden. Die Assyriologen Dr. Peter Zilberg und Dr. Filip Vukosavović erklärten: „Bullen oder Siegel dieser Art trugen einen speziellen Eindruck, der manchmal von einer kurzen Inschrift in assyrischer Keilschrift begleitet wurde, die den Inhalt oder den Bestimmungsort der Depesche vermerkte. Sie unterscheiden sich in Größe und Form von den hiesigen judäischen Abdrücken.“

Siegel deutet auf eine Verpflichtung gegenüber Assyrien hin

Die Inschrift stützt die Hypothese, dass es sich um eine Verzögerung bei der Zahlung von Tribut oder einer anderen Verpflichtung gegenüber Assyrien handelt, da sie ein Fälligkeitsdatum angibt, das dem ersten des Monats Av entspricht, und sich auf einen hochrangigen Wagenoffizier bezieht, der für die Überbringung von Nachrichten im Namen des königlichen Hofes verantwortlich war. Obwohl der Text den König von Juda nicht direkt erwähnt, vermuten Forscher, dass er entweder an den Hof Hiskias, Manasses‘ oder zu Beginn Josias‘ Herrschaft geschickt wurde – einer Zeit, in der Juda ein Vasallenstaat Assyriens war.

„Obwohl wir nicht feststellen können, ob diese Forderung auf eine bloße technische Verzögerung oder einen bewussten politischen Schachzug zurückzuführen ist, deutet die bloße Existenz eines solchen offiziellen Appells auf Spannungen zwischen Juda und der imperialen Regierung hin”, so die Forscher. Einige Wissenschaftler untersuchen die Möglichkeit, dass sich die Inschrift auf den biblischen Bericht über den Aufstand von König Hiskia gegen Sanherib, den König von Assyrien, bezieht.

Der Abflusskanal, neben dem der seltene Fund entdeckt wurde. Foto: Shai Halevi, Israelische Altertumsbehörde

Die Scherbe symbolisiert die tiefe jüdische Verwurzelung in Jerusalem

Petrographische Analysen deuten jedoch darauf hin, dass sie nicht vor Ort produziert wurde, sondern aus einem der assyrischen Verwaltungszentren wie Ninive, Aschur oder Nimrud stammt. „Die mineralische Zusammensetzung der Bulle entspricht im Großen und Ganzen der Geologie der Region des Tigrisbeckens. Eine chemische Analyse wird derzeit noch vorgenommen, um die Herkunft genau zu bestimmen“, erklärte Dr. Anat Cohen-Weinberger von der israelischen Altertumsbehörde.

Der israelische Minister für Kulturerbe, Rabbi Amichai Eliyahu, begrüßte den antiken Fund. „Diese seltene Entdeckung verdeutlicht einmal mehr unsere tiefe Verwurzelung in Jerusalem, dem spirituellen und nationalen Zentrum des jüdischen Volkes“, erklärte er.

Titelbild: Der assyrische Siegelabdruck ist der einzige Fund seiner Art. Foto: Eliyahu Yanai/Davidsstadt

Weitere News aus dem Heiligen Land