
Misshandlungsvideo an Medien gegeben: Rücktritt der obersten Armee-Staatsanwältin erschüttert Militärjustiz
JERUSALEM 02.11.2025 (BF) – Der Rücktritt von Generalmajorin Yifat Tomer-Yerushalmi, Israels oberster Militärjuristin, zieht weite Kreise. Sie übernahm die Verantwortung für das Weitergeben eines Videos, das die Misshandlung eines palästinensischen Gefangenen durch israelische Reservisten im Haftlager Sde Teiman zeigt. Die Aufnahmen lösten 2024 einen Sturm der Entrüstung aus, innerhalb und außerhalb Israels. Nun steht die Militärjustiz selbst im Fokus, und viele fragen sich, wie es mit dem Verfahren gegen die beschuldigten Soldaten weitergeht.
Ein System unter Druck
Tomer-Yerushalmi hatte in ihrem Rücktrittsschreiben eingeräumt, das Material bewusst an Medien freigegeben zu haben, um „falscher Propaganda gegen die Militärjustiz entgegenzutreten“. Sie wollte zeigen, dass die israelischen Streitkräfte Fehlverhalten in ihren Reihen selbst untersuchen. Doch genau diese Veröffentlichung öffnete eine juristische Grauzone. Das Gesetz verbietet grundsätzlich die Weitergabe von Ermittlungsmaterial, vordergründig bei Verdacht auf sexuelle Gewalt. Gleichzeitig wird solches Material in Israel häufig schon vor Abschluss der Ermittlungen öffentlich. So bewegt sich der Fall zwischen rechtlich erlaubt und moralisch fragwürdig.
Die Folgen sind erheblich. Gegen Tomer-Yerushalmi wird jetzt wegen Behinderung der Justiz und Weitergabe geheimer Dokumente ermittelt. Auch mehrere hochrangige Offiziere der Militärstaatsanwaltschaft sollen befragt und möglicherweise entlassen werden. Damit droht der Führung der Militärjustiz eine Phase der Instabilität. Nur zwei ranghohe Juristen bleiben im Amt: Brigadegeneral Roni Katzir, der bald in Pension geht, und Oberst Gal Asael, der die interne Untersuchung leitete, aber selbst falsch informiert wurde.
Der Fall Sde Teiman als Belastungsprobe
Der Prozess gegen fünf Reservisten der Einheit 100, die beschuldigt werden, einen gefesselten Hamas-Gefangenen schwer misshandelt zu haben, geht derweil weiter. Die Anklage stützt sich auf Videoaufnahmen, medizinische Gutachten und Zeugenaussagen. Die Verteidigung sieht in der Veröffentlichung des Materials jedoch eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren. Juristische Kreise halten es für unwahrscheinlich, dass das Verfahren eingestellt wird, doch der Leak könnte sich auf die Urteilsfindung auswirken. Selbst mildernde Umstände sind denkbar, wenn Gerichte zu dem Schluss kommen, dass die Veröffentlichung die Rechte der Angeklagten beeinträchtigt hat.

Die Affäre hat Israels Militärjustiz in eine ihrer schwersten Krisen seit Jahren gestürzt. Der Fall berührt gleich drei Ebenen: die rechtliche Verantwortung, die öffentliche Kommunikation und die politische Kontrolle. Künftig soll die Armeesprecher-Abteilung wieder die alleinige Verantwortung für öffentliche Mitteilungen übernehmen, um doppelte Zuständigkeiten und inoffizielle Freigaben zu vermeiden.
Suche nach einem Neuanfang
Verteidigungsminister Israel Katz und Generalstabschef Eyal Zamir wollen rasch eine Nachfolge ernennen. Diskutiert werden erfahrene Militärjuristen wie Ofira Elkabets Rotshtein und der ehemalige Generalanwalt Ilan Katz, aber auch externe Kandidaten aus der Ziviljustiz. Das Ziel ist, das Vertrauen in die Militärstaatsanwaltschaft wiederherzustellen und klare Kommunikationsregeln einzuführen.
Gleichzeitig bleibt der internationale Druck bestehen. Israel betont vor der Weltöffentlichkeit, dass mögliche Kriegsverbrechen eigenständig untersucht werden. Der Fall Sde Teiman wird daher auch als Prüfstein gesehen: Wenn Israels Justiz nachweislich transparent handelt, schützt das Soldaten vor internationalen Anklagen.
Doch innenpolitisch ist die Lage angespannt. Die Enthüllung, dass ein Teil der Militärführung über Monate falsche Angaben machte, wird als schwerwiegender bewertet als die Indiskretion selbst. Politiker fordern Reformen und eine unabhängige Aufsicht. Selbst langjährige Kollegen sagen, Tomer-Yerushalmi habe aus Loyalität gehandelt, aber die Folgen unterschätzt.
Ob die Angeklagten am Ende milder behandelt werden oder die Justiz ein Exempel statuieren will, ist offen. Sicher ist nur, dass der Rücktritt der obersten Militärjuristin nicht das Ende, sondern der Beginn einer grundlegenden Neubewertung des Systems ist. Israels Militärjustiz muss nun beweisen, dass sie fähig ist, aus Fehlern zu lernen, ohne ihre Integrität zu verlieren.
Titelbild: Generalmajorin Yifat Tomer-Yerushalmi, eine der ranghöchsten Frauen in der israelischen Armee, ist zurückgetreten. Zuvor hatte Verteidigungsminister Israel Katz ihr mit Entlassung gedroht. Foto: Yonatan Sindel/Flash90