
Mit nur 14 km/h über Israels Autobahnen – Massen-Staus auf der meistbefahrenen Straße des Landes verschärfen sich
TEL AVIV, 03.11.2025 (NH) – Wer kennt sie nicht: die riesigen Staus auf den Autobahnen in alle Richtungen zu den Hauptverkehrszeiten? In Israel verwandelt sich der Ayalon Highway, eine der wichtigsten Verbindungsstraßen des Landes, täglich in einen langen und mächtigen Stau. Die mehrspurige Autobahn wird dann mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 14 km/h befahren. Besonders am Nachmittag zwischen 15:00 und 19:00 Uhr sind viele Abschnitte der meistbefahrenen Straße im Staat Israel restlos überlastet. Experten warnen, dass sich die Verkehrssituation in Zukunft weiter verschlechtern wird, wenn die Infrastruktursysteme nicht geändert werden.
Versagen der Infrastruktursysteme
Jeden Tag um 6:45 Uhr beginnt im kleinen jüdischen Staat von neuem ein nervenaufreibendes Schauspiel: Die Durchschnittsgeschwindigkeit auf dem Ayalon Highway, der mit einem Tempolimit von 90 km/h befahren werden kann, sinkt auf 30 km/h. Um 7:00 Uhr morgens ist das Chaos perfekt und der Verkehr steht fast still. Die Durchschnittsgeschwindigkeit auf dem Ayalon Highway sinkt auf 19 km/h, am Nachmittag sogar auf 14 km/h. Eine Geschwindigkeit, die von einem Amateur-Radfahrer problemlos erreicht werden kann. Doch was führt zu den täglichen Stau-Katastrophen auf Israels Autobahnen?
Prof. Erel Avineri, Infrastrukturexperte am Afeka College, erklärt, es handele sich schlichtweg um strukturelles Versagen. „Auf einem großen Teil der Straßen im Landeszentrum sehen wir die meisten Stunden des Tages und die meisten Tage der Woche Verkehrsstaus. Diese Muster deuten auf ein strukturelles Versagen der Infrastruktursysteme hin.“ Die steigende Verkehrsnachfrage führe dazu, dass alle Systeme überlastet sind und den geforderten Servicestandard nicht mehr erfüllen können. Reihe sich nun ein kleiner Zwischenfall wie extreme Wetterbedingungen, Wartungsarbeiten, Verkehrsunfälle oder ein Ausfall der Ampeln an die ohnehin schon voll bepackten Straßen, gerate der Verkehr völlig aus dem Gleichgewicht.

Bevölkerungswachstum bedeutet steigende Anzahl von Autofahrern
„Die Veränderlichkeit und Unsicherheit sind so groß, dass selbst Systeme der künstlichen Intelligenz nicht in der Lage sind, nützliche Vorhersagen über Verkehrsstaus zu liefern“, erklärt Prof. Erel Avineri. „Zwar ist der Anteil der Kraftfahrzeugbesitzer in Israel im Vergleich zu Ländern mit ähnlichem Einkommensniveau niedrig, doch die israelische Bevölkerung wächst erheblich, im Gegensatz zu anderen Ländern“, erläutert Prof. Eran Feitelson, Vorsitzender des Instituts für Geographie an der Hebräischen Universität Jerusalem. Das Bevölkerungswachstum im Heiligen Land übersteigt nicht nur das in Japan und den Niederlanden, was zu einer steigenden Zahl von Fahrzeugbesitzern und einer weiteren Verschlimmerung der Verkehrssituation führt.
Prof. Eran Feitelson hebt außerdem hervor, dass der öffentliche Nahverkehr am Schabbat und an jüdischen Feiertagen nicht ausreicht. Auch eine mangelnde Abstimmung zwischen Wohnungsbau und Verkehrsinfrastruktur bzw. nicht vorhandene Anschlüsse an öffentliche Verkehrsmittel führen unweigerlich zu massiven Verkehrsstaus, denn die einzige Alternative ist die Fahrt mit dem Privatauto.
Defizite in der Verkehrsinfrastruktur in Israel
Experten sehen den Ausbau öffentlicher Verkehrsnetze und sogenannter Vorzugsspuren als einzige Lösung der israelischen Verkehrskrise. Tatsächlich hat Israel in den vergangenen Jahren Milliarden Schekel in Projekte für den öffentlichen Nahverkehr investiert. Eine Verkehrsinfrastruktur mit Stadtbahnen, Bahngleisen und einem „bahnbrechenden” Metro-Projekt im Landeszentrum wird jedoch erst in einigen Jahren fertiggestellt sein. Der staatliche Rechnungsprüfer warnte bereits, dass die Investitionen, die dem Niveau anderer OECD-Länder entsprechen, angesichts des Defizits in der Verkehrsinfrastruktur sowie des größeren Bevölkerungswachstums in Israel nicht ausreichen.
Prof. Avineri erklärt, alle Lösungen erfordern eine effiziente Planung. Demnach sei nur eine korrekte Stadtplanung, eine Verkehrsinfrastruktur mit erheblichen Kapazitäten, die Verringerung der Unsicherheit durch öffentliche Verkehrsspuren, ein pünktlicher Betrieb des öffentlichen Verkehrs, die Information der Öffentlichkeit und die Reduzierung der Nutzung von Autos im städtischen Raum eine langfristige Lösung, um das Chaos auf den Hauptverbindungsstraßen Israels zu beheben. Ohne eine effektive Planung werden die Israelis wahrscheinlich weiterhin unter riesigen Staus leiden, ohne eine realistische Möglichkeit, diese zu umgehen.
Titelbild: Trotz mehrerer Spuren nehmen die Staus auf der Ayalon-Autobahn im Landeszentrum kein Ende. Foto: Tal Gal/Flash90