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Regierungsfeindliche Massendemonstrationen legen Israel lahm – Evakuierung von Netanjahus Ehefrau in Tel Aviv

JERUSALEM, 02.03.2023 (NH) – Israel hat stürmische und gewalttätige Großdemonstrationen hinter sich. Die Proteste gegen die geplante Justizreform dauerten den ganzen Tag und bis spät in die Nacht an. Was als “Nationaler Tag der Störung” ausgerufen wurde und mit Demonstrationsmärschen und Straßenblockaden im ganzen Land begann, endete mit Dutzenden Verhaftungen, Verletzten und der Rettung der Ehefrau des israelischen Premierministers aus ihrem Friseursalon in Tel Aviv. Hunderte Protestanten belagerten Sara Netanjahu über Stunden. Israels Ministerpräsident erklärte in einer Fernsehansprache: “Das Recht zu demonstrieren ist nicht das Recht auf Anarchie.”.

“Tag der Störung” in geheimen WhatsApp-Gruppen

Die Organisatoren des nationalen “Tag der Störung” riefen bereits am Dienstagabend Zehntausende dazu auf, die Alltagsroutine in Israel lahmzulegen: “Wir werden die öffentliche Ordnung angesichts einer Regierung stören, die versucht, die demokratische Ordnung zu stören.”. Der “zivile Ungehorsam” wurde von israelischen Politikern wie Ehud Barak und Benny Gantz weiter angeheizt und unterstützt. In geheimen WhatsApp Gruppen organisierten sich die Protestler und planten die angekündigten “Überraschungsdemonstrationen”.

Bereits um 7:30 Uhr wurde von ersten Straßenblockaden auf der Autobahn zwischen Tel Aviv und Jerusalem berichtet. Über eine Stunde blockierten Reservisten der Armee mit Stacheldrahtzäunen die Strecke nach Jerusalem. Neben Israels zentraler Autobahnverbindung wurden Dutzende weitere Autobahnkreuze, öffentliche Plätze und Verkehrsmittel im ganzen Land blockiert. Israelis, die im Voraus auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen sind, stießen auch dort auf die aggressiven Protestler. An den Bahnhöfen in Tel Aviv und Binjamina blockierten Demonstranten die Türen und behinderten die Abfahrt der Züge und Busse.

Von Eltern mit Schulkindern, Ärzten, Professoren und Studenten bis hin zu Landwirten mit Traktoren schlossen sich Tausende Israelis den landesweiten Protestzügen an. Immer wieder durchbrachen die Demonstranten gewaltsam polizeiliche Straßensperren und sorgten für stundenlanges Chaos auf den Straßen.

Demonstranten durchbrechen Straßensperren in Tel Aviv und stoßen gewaltsam mit der Polizei zusammen. Foto: Erik Marmor / Flash90

Anarchie oder Recht auf Protest
Den ganzen Tag über kam es zu Verhaftungen von Demonstranten, mehrere Protestler sollen medizinische Behandlung benötigt haben. Einer der Organisatoren des “Störungstages” erklärte, dass die Polizei Grenzen überschreite und die demokratischen Proteste mit dem Einsatz von schwerer körperlicher Gewalt behindere. “Wir fordern den Polizeichef auf, die Beamten anzuweisen, die Gewalt einzustellen.”. Der Organisator bezog sich damit auf den Einsatz von Tränengas, Blendgranaten und Wasserwerfer, was später in den israelischen Medien scharf kritisiert wurde. Polizeiliches Eingreifen, um die Routine des Landes wiederherzustellen, wurde als aggressive Polizeigewalt abgestempelt.

Polizeisprecher erklärten nach den hitzigen Ereignissen, dass die Polizei “Demonstrationen als Eckpfeiler eines demokratischen Staates ansehe”. Sie erlaube allen Bürgern, unter Einhaltung des Rahmens von Recht und öffentlicher Ordnung zu protestieren. Sachbeschädigungen, Ruhestörungen und nicht genehmigte Straßenblockaden würden jedoch mit aller Macht unterbunden.

Premierminister Benjamin Netanyahu reagierte auf die Anschuldigungen und drückte seine Unterstützung für die Einsatzkräfte aus: “Wir werden keine Gewalt gegen Polizisten, Straßensperren und eklatante Verstöße gegen die Gesetze des Landes akzeptieren. Das Recht zu demonstrieren ist nicht das Recht auf Anarchie.”

Etwa tausend Protestler demonstrierten vor Sara Netanjahus Friseursalon in Tel Aviv. Erst mit einem immensen Polizeiaufgebot konnte die Ehefrau des Premierministers aus dem Friseursalon evakuiert werden. Foto: Avshalom Sassoni/Flash90

“Das Land brennt und Sara schneidet ihre Haare”

Neben den Protesten wurden am Mittwoch weitere Gesetzesvorlagen im Rahmen der Justizreform vorgelegt. Im Knesset-Plenum wurde auch eine vorläufige Lesung des Todesstrafengesetzes für Terroristen verabschiedet.

Die Demonstrationen in Tel Aviv und Jerusalem gingen auch am späten Abend weiter. Während Hunderte Demonstranten die Privatwohnung des Premierministers in der Hauptstadt belagerten, erspähten radikale Protestler die Ehefrau des Regierungschefs in einem Friseursalon in Tel Aviv. Etwa tausend Demonstranten belagerten den Salon über Stunden und skandierten feindselige Parolen: “Das Land brennt und Sara bekommt einen neuen Haarschnitt!”. Erst mithilfe eines riesigen Polizeiaufgebot konnte Sara Netanjahu in Sicherheit gebracht werden. Israels Regierungschef verurteilte den Vorfall auf das Schärfste und erklärte, er liefere hiermit weitere Beweise dafür, dass diejenigen, die sich gegen die Justizreform aussprechen, nur “Anarchisten sind, die versuchen, Unordnung zu säen”.

Titelbild: Israelis protestieren gegen die geplante Justizreform der Netanjahu-Regierung und sorgen im ganzen Land für Chaos. Foto: Avshalom Sassoni/Flash90

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