Wer kann sagen, was in Las Vegas passiert ist? – Ein Kommentar
von Ulrich W. Sahm
JERUSALEM, 04.10.2017 – Wer sich nicht gerade auf dem „Strip“ in Las Vegas herumgetrieben hat und wissen möchte, was in Las Vegas wirklich passierte, ist allein auf Medienberichte angewiesen. Aber was ist dort zu finden?
Mutmaßlicher Schütze?
Aus der „Welt“ erfahren wir:
„Ein mutmaßlicher Schütze hat bei einem Konzert in Las Vegas mindestens 58 Menschen getötet. Hunderte wurden verletzt.“
Da der Schütze nur „mutmaßlich“ ist, die Toten und Verletzen aber als ein Fakt dargestellt werden, muss es in Las Vegas einen Tsunami oder einen Hurrikan gegeben haben? Im Text wird der „Mutmaßliche“, als „Mann“ und schließlich als „Todesschütze“ oder nur „Schütze“ vorgestellt. Dann mutierte er zum „Angreifer“ und schließlich zum „Einzeltäter“.
Am Ende wurde der „mutmaßliche“ Mann bei der Welt zum „einsamen Wolf“. Da hätten jetzt eigentlich die Grünen und Naturschützer auf die Barrikaden gehen müssen, denn in Deutschland stehen Wölfe unter Naturschutz, selbst wenn sie in Rudeln Haustiere reißen. Sie dürfen nicht von Jägern abgeschossen werden. Oder gilt das nicht für menschliche „Einsame Wölfe“?
Identifiziert wurde er als der 64-jährige Stephen P. Seine Motive seien unklar.
Zusammenhang mit Terrormiliz IS?
„Das IS-Sprachrohr Amaq meldete, dass der Schütze vor Monaten zum Islam konvertierte.“
Nachdem die Terrormiliz Islamischer Staat die Tat für sich beanspruchte werde nun untersucht, ob die „Schüsse“ (und nicht etwa der Schütze…) demnach in Zusammenhang mit einer international agierenden Terrororganisation stünden. Allerdings reklamiert der IS gerne Dinge, die nicht in seine Zuständigkeit fallen.
Sprachliche Verwirrung findet man auch anderswo.
Amoklauf und Massenmord?
Laut Radio Vatikan betete der Papst für die „Opfer des Amoklaufs“.
Der päpstliche Sender verwendet auch die Begriffe „Attentat“, „sinnlose Tragödie“ und davon, dass „offensichtlich ein Einzeltäter von einem Hotelfenster aus mit einer automatischen Waffe auf die Menge geschossen hatte“.
Bei der linksgerichtete jüdischen Zeitung Tachles aus der Schweiz ist Rede vom „schlimmsten Massenmord mit Schusswaffen in der modernen Geschichte Amerikas“.
Schreckliche Schießerei?
Die linksgerichtete israelische Zeitung Haaretz findet in einem Kommentar weitere neue Formulierungen für den gleichen Vorgang: „schreckliche Schießerei“, eine „unnatürliche Katastrophe, ein menschengemachtes Desaster, ein Terrorakt von historischer Dimension.“
All diese großen Worte für das gleiche Ereignis werden von Haaretz angeführt, um mal wieder den amerikanischen Präsidenten Donald Trump zu kritisieren. Anstatt offen das Wort „Terrorismus“ auszusprechen, habe Trump von einem „Schützen“ und nicht etwa von einem „Terroristen“ gesprochen (wie man es bei einem muslimischen Massenmörder getan hätte) und dann die Tat als einen „Akt des absoluten Bösen“ verurteilt. Trump wird in dem Kommentar „Rassismus“ nachgesagt, weil der mutmaßliche Täter/Schütze eben ein weißer Amerikaner gewesen sei. Zitiert wird da aus der amerikanischen Verfassung: „Terrorakt“ bedeutet jede Handlung, die den Gebrauch oder die versuchte Verwendung von Sabotage, Zwang oder Gewalt beinhaltet, die dazu bestimmt ist, der allgemeinen Bevölkerung einen großen körperlichen Schaden oder Tod zu verleihen.“
Fake News?
Die New York Times hat zu Las Vegas die „fake News“ im Internet gesammelt. Ehe die Polizei Stephen P. als den Schützen ausgemacht hatte, kursierte im Internet der Name eines gewissen Geary D., dem nachgesagt wurde, ein „linksgerichteter Einzelgänger“ zu sein. Nachdem IS die „Attacke“ – wie es dort heißt – für sich beansprucht und behauptet hatte, dass Stephen P. zum Islam konvertiert sei (was bisher weder bestätigt oder entkräftet worden ist) konterte ein FBI-Sprecher lediglich, dass es vorerst keine Beweise für Kontakte zu „internationalen Terroristengruppen“ des Mannes gebe. Weiter schreibt die New York Times über „unbegründete Behauptungen“ im Internet, wonach Stephen P. „radikalisiert“ worden sei. Diese Anmerkung setzt eine in vielen Medien häufig geäußerte Ansicht voraus, dass ein Amokläufer oder auch Massenmörder wie in Berlin, Paris oder Nizza durchaus auch ein ausgewogener Mensch mit „gemäßigten“ Ansichten gewesen sein könnte. Ein Reporter und IS-„Experte“ im Atlantic erklärte, dass Stephen P. ein „gambler“ (Glückspieler) gewesen sei und Selbstmord verübt habe. Deshalb könne er nicht ein IS- Täter gewesen sein. Man muss freilich kein „Terror-Experte“ sein, um zu wissen, dass gerade die Methode der Selbstmordattentate typisch ist für diese islamistische Terrororganisation. Ansonsten bemängelt die amerikanische Zeitung die Verbreitung falscher Namen von angeblichen Opfern mitsamt Fotos, darunter eines mordverdächtigen deutschen Fußballers in Mexiko.
Sprachgewalt der Medien bemerkenswert
Die Sprachgewalt der Medien bei einem einzigen schlimmen Ereignis in Las Vegas ist bemerkenswert. Ausgelöst wurde sie wohl vor allem, um nur nicht das „T.“-Wort (Terror) zu verwenden, das nicht nur bei der BBC ausdrücklich ein Tabu ist – außer wenn die Opfer Briten sind.
Für viele dürfte daher Trumps Erklärung vor seinem Abflug nach Puerto Rico eine psychische Erlösung gewesen sein. Da hatte er den „Mutmaßlichen“ als „kranken Mann“ bezeichnet. Diese Formulierung ist ein Zauberwort. Wie auch bei anderen Anschlägen von sonstigen Terroristen muss man sich keine Gedanken mehr machen über Ursachen und Folgen, über Hass, Menschenverachtung oder politische Ideologie. Es reicht, einen Arzt zu rufen. Denn Krankheit ist (außer bei Rauchern) Schicksal und trifft jeden Unschuldigen.
Israelischer Traumaexperte Rivkind warnte vor Anschlag
Der weltbekannte israelische Traumaexperte für Schock-Opfer von Terrorattacken, Dr. Avi Rivkind vom Jerusalemer Hadassah-Hospital, hatte schon vor 3 Jahren vor einem Anschlag in Las Vegas gewarnt. Beim Sender Channel 2 erzählte der Israeli, dass er sich schon auf dem „offenen“ Flughafen nahe der Stadt und erst recht unter den Menschenmassen auf dem „Strip“ – ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen – „unwohl“ gefühlt habe. Rivkind hat große Erfahrung mit Terroranschlägen „In der Welt nach 9/11 müssen wir auch auf das Undenkbare vorbereitet sein“, sagte Rivkind. „Ich glaube, mit all den Casinos und den Leuten, die aus der ganzen Welt herkommen, solltet Ihr mit einer riesigen Sache rechnen. Ich will niemandem irgendwelche Ideen geben, aber ihr solltet gut vorbereitet sein. Für mich ist es eine Frage der Zeit.“
Als 12 Jahren zuvor eine Al-Qaida-Schläferzelle entdeckt wurde, fanden die Ermittler das Videoband eines Las Vegas Strip-Resorts. Und fünf der 9/11 Hijacker trafen sich in Las Vegas drei Monate vor ihrem Angriff auf die Twin-Towers in New York und auf das Pentagon in Washington.
Foto: Fokus Jerusalem