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“Wir retten auch unsere Feinde”

von Elisabeth Lahusen

JERUSALEM, 04.10.2017 – Dr. Avi Rivkind hat das Leben von Tausenden gerettet. Das Messer des Chirurgen hilft bei vielen Dingen: Autounfällen, Stich- und Schusswunden, Zusammenbrüchen und Bombenangriffen.
Das Hadassah-Krankenhaus in Jerusalem, dessen Trauma-Abteilung er leitet, hat weltweit eine der höchsten Überlebensraten für Patienten mit lebensbedrohlichen Verletzungen. Er trainiert auch Chirurgen weltweit.
“Wir haben sehr gutes Personal”, sagt Rivkind. “Die alten Ärzte sind die Autoritäten, weil die Erfahrung Leben rettet”. Als er 65 Jahre alt geworden war, sagte Rivkind, er würde gern operieren “bis ich 120 bin. Meine Hände sind ruhig, und ich werde Jahr für Jahr besser”.

Prof. Rivkind

Dr. Avi Rivkind

Pionier in der Behandlung von Massen-Unfall-Opfern
Rivkind leitet die Schock-Trauma-Einheit im Hadassah Medical Center in Jerusalem. Er ist ein Pionier bei der Behandlung von Opfern von Massen-Unfall-Terror-Attacken. Seine Techniken wurden im Jahr 2013 angewandt, um das Leben von Verletzten beim Boston-Marathon-Anschlag zu retten.

Während der zweiten Intifada – dem Aufstand der Palästinenser zwischen 2000 und 2005 – waren 60 Prozent seiner Patienten Opfer von Gewalt. Rivkind behandelte Israelis wie Palästinenser. Er macht nie einen Unterschied zwischen dem jüdischen und dem arabischen Leben. An einem Tag wurde ihm ein 13-jähriger Palästinenser, der von jüdischen Siedlern verwundet worden war, ins Krankenhaus gebracht. Er hatte einen 12-jährigen Israeli mit einem Messer verletzt. Rivkind erhielt sie beide. “Wir retten auch unsere Feinde”. Auf einem Flug in Südamerika rettete er auch das Leben eines alten deutschen Nazi. „Heinz“ wollte ihm später danken. Doch da reagierte Rivkind nicht:
„Ich rette alle – aber ich esse nicht mit allen zu Abend.“

Besuch in Las Vegas
Als Dr. Rivkind vor drei Jahren in Las Vegas landete, um als Trauma-Experte auf einer Hadassah-Konferenz zu sprechen, sah er etwas, das ihn beunruhigte. Der Flughafen bei der Stadt, McCarran International, war ihm zu offen. Man fühlte sich fast ausgesetzt. Auf dem „Strip“ der Stadt hatte er ein ungutes Gefühl, während er von den Hotels zu den Casinos und den Geschäften fuhr, denn es gab wenig Sicherheit auf der Straße.
“Ich fühlte, dass es einen Mangel an Präsenz gab: die Leichtigkeit, sich dort zu bewegen, wie einfach es ist, von den Casinos aus alle Einkaufszentren zu betreten”, sagte er JTA. “Ich fühlte mich sehr unwohl.”

Rivkind verkürzte seine Reise, als im Sommer 2014 Israels Krieg mit Hamas ausbrach. Zuvor äußerte er jedoch eine Warnung bei einem lokalen Fernsehsender in Las Vegas:
“Machen Sie sich bereit für einen möglichen Terrorangriff. Mit all den Casinos und den Leuten, die aus der ganzen Welt kommen, glaube ich, solltet Ihr mit einer riesigen Sache rechnen.” Das sagte Rivkind Channel 8, dem lokalen CBS-Partner. “Ich möchte niemandem irgendwelche Ideen geben. Allerdings solltet Ihr gut vorbereitet sein. In meinem Kopf ist es nur eine Frage der Zeit.” Der Arzt habe empfohlen, die örtlichen Regierungsdienste für eine Notfallbereitschaft zu beraten. Aber er habe nie wieder von ihnen gehört.

Rivkind unterrichtet aus der ganzen Welt
Rivkind hat in Krankenhäusern auf der ganzen Welt gelehrt, wie man Opfer von massivem Blutverlust und Verletzungen an lebenswichtigen Organen retten kann. In einem Fall belebte er einen Soldaten nach einem Herzschuss, der auf dem Feld für tot erklärt worden war. Aber Rivkind warnte, dass die medizinische Versorgung nach einem Massenschießen wie am Sonntag anders ist als die Behandlung nach einer Bombardierung. Und er sagte: “Dies ist eine Zeit, um in sich zu gehen und den Schmerz zu spüren. Das ist keine Zeit, um Vorschläge zu machen.”

Professor Avi Rivkind bei der Übung für einen Ernstfall

Dr. Avi Rivkind bei der Übung für einen Ernstfall (Flash90)

Nach einem langen Berufsleben, das der Rettung von Terroropfern gewidmet war, sagte Rivkind, sei die Nachricht vom Las Vegas-Angriff besonders hart:
“Auf der einen Seite machst du außergewöhnliche Dinge, um ein menschliches Leben zu retten”, sagte er. “Dann kommt ein verrücktes Stück Scheiße und tötet, ohne mit der Wimper zu zucken.“

 

Ein Kommentar von Ulrich W. Sahm zum Las-Vegas-Angriff haben wir auf unserer Webseite veröffentlicht:

Wer kann sagen, was in Las Vegas passiert ist? – Ein Kommentar


Fotos: Das Hadassah Medical Center/ Wikimedia Commons; Dr. Avi Rivkind/ Hadassah Medical Center; Dr. Rivkind bei einer Übung/ Noam Moskowitz (Flash90)

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