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Orthodoxe Powerfrau will Bürgermeisterin werden

von Deborah Karrer

JERUSALEM, 25.07.29018 – Rachel Azaria (40) ist seit Jahren in der Knesset für die Partei Kulano tätig. Erstmals tritt mit ihr eine weibliche Kandidatin zur diesjährigen Bürgermeisterwahl in Jerusalem an. Ein selbstbewusster Schritt angesichts der Tatsache, dass die Großstädte Israels noch nie zuvor eine Frau zur Bürgermeisterin hatten und Azaria sich in eine lange Reihe von erfolgreichen Kandidaten einfügen muss. Trotz der starken Konkurrenz ist Azaria überzeugt, reale Chancen zu haben, denn ihr Engagement ist nicht nur auf eine bestimmte Zielgruppe beschränkt, sondern sie setzt sich gerade für die Kooperation zwischen Menschen verschiedener Bevölkerungsgruppen ein. „Es ist mein innigster Wunsch für das Wohlergehen Jerusalems zu arbeiten”, gibt Azaria ihr Anliegen in einem Gespräch mit der Jerusalem Post kund.

Bürgermeisteramt verspricht direkte Teilhabe am Stadtleben
Azaria ist eine Frauenrechtlerin, Mutter von vier Kindern und gehört der religiösen Strömung des orthodox-reformierten Judentums an. Sie vertritt damit die Interessensgebiete sowohl säkularer als auch konservativ-religiöser Wähler. Geboren und aufgewachsen in Jerusalem wünscht sie sich als Bürgermeisterin näher am Leben der Stadtbewohner teilhaben zu können, denn die Arbeit in der Knesset sei „generell abgeschnitten vom öffentlichen Leben.” Der direkte Kontakt zu den Menschen ist ihrer Ansicht nach der entscheidende Unterschied zwischen nationaler und kommunaler Politik und motivierte sie dazu, das Bürgermeisteramt anzustreben.

Debatte um die Spaltung Jerusalems ist irrelevant
Auch kontroverse Themen, wie etwa die tiefe Spaltung zwischen den arabisch geprägten Nachbarschaften Ostjerusalems und der jüdischen Bevölkerung im Westen der Stadt, scheut sie nicht. „Jerusalem ist in meinen Augen eine vereinte Stadt. Die Debatte um die Trennung der Gebiete ist irrelevant.” Ihrer Meinung nach müsse man mehr in die Infrastruktur, die Jobchancen und den Bau von Schulen investieren, unter anderem um mit dem chronischen „Mangel an Vertrauen” zwischen dem Jerusalemer Stadtrat und den Obrigkeiten in den östlichen Stadtteilen aufzuräumen.

Stimme für religiöse Frauen im öffentlichen Leben
Bekannt wurde die Politikerin durch eine Kampagne vor zehn Jahren, als sie ihr Gesicht und das anderer weiblicher Mitglieder der sogenannten „Jerusalemer Fraktion” als Werbung auf Stadtbussen drucken lassen wollte. Die Busfirma Egged wehrte sich zunächst vehement gegen diesen Vorschlag aus Angst, dass dies zu Protesten oder Boykott von Seiten der ultraorthodoxen Bevölkerung führen würde. Azaria klagte die Firma an und gewann den Streit vor Gericht. Seitdem ist sie eine der bekanntesten Figuren in dem Kampf religiöser Frauen für Mitspracherecht im öffentlichen Leben.

In den diesjährigen Bürgermeisterwahlen bemühen sich insgesamt sieben Kandidaten um das Vertrauen der Bürger. Es ist zweifelhaft, ob Azaria die Hürde im Oktober nehmen kann, doch es ist erfrischend, dass eine Frau im diesjährigen Rennen teilnimmt.

Foto: Kulano-Politikerin Rachel Azaria will Bürgermeisterin von Jerusalem werden. Bild vom 16.02.2016. Quelle: Marc Israel Sellem / Wikimedia Commons, gemeinfrei.

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