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Yom Kippur – Israel ruht, fastet und betet

von Krista und Johannes Gerloff

JERUSALEM, 18.09.2018 – Heute Abend beginnt mit dem Sonnenuntergang der große Versöhnungstag Yom Kippur, der höchste jüdische Feiertag. In der Bibel wird er so eingeführt: „Am Zehnten Tag des siebten Monats (Tischrei) sollt ihr eine heilige Versammlung halten, und ihr sollt euch demütigen; keinerlei Arbeit sollt ihr tun“ (4. Mose 29,7).

Kein Verkehr, keine Medien

Yom Kippur ist ein Festtag, an dem nicht gearbeitet und nicht telefoniert wird. Es gibt weder Radio- noch Fernsehsendungen. Der Verkehr im gesamten Land liegt still, der internationale Flughafen ist geschlossen. Nur Krankenwagen für Notfälle und Sicherheitskräfte werden auf den Straßen geduldet. Alle anderen Kraftfahrzeuge laufen Gefahr, mit Steinen beworfen zu werden. Der verkehrsfreie Tag wird allerdings von den Kindern im ganzen Land genutzt. Sie bevölkern die Straßen mit Fahrrädern, Rollschuhen und Skateboards.

Das jüdische Volk fastet an Yom Kippur. Das Besondere an diesem Tag ist, dass er nicht nur von orthodoxen Juden eingehalten wird, sondern auch von vielen anderen, die sich sonst für Religion oder Glauben gar nicht interessieren. Seit mehr als einem Monat werden in den Synagogen täglich Bußgebete gesprochen. In den Schulen und Medien werden die Themen Schuld, Vergebung und Neuanfänge behandelt. Auf der ganzen Welt gibt es wohl kein anderes Volk, das ein solches nationales Bewusstsein für die Notwendigkeit der Vergebung von Sünden hat.

Das Tragen von Lederkleidung und Schmuck, der Gebrauch von Kosmetik, das Baden und der Geschlechtsverkehr sind nach jüdischem Gesetz an diesem Bußtag verboten. Der Große Versöhnungstag ist geprägt von einer Stimmung der Ehrfurcht und Beklemmung, der Verzweiflung und des Grauens im Blick auf die eigene Schuld angesichts des heiligen Schöpfergottes.

Die Bibel beschreibt, wie der Hohepriester zur Zeit des israelitischen Heiligtums ein einziges Mal im Jahr, eben am Großen Versöhnungstag, das Allerheiligste betrat (3. Mose 16). Yom Kippur wird als „ewige Ordnung“ beschrieben. Der große Ernst dieses Tages kommt in der Warnung zum Ausdruck: „Wer nicht fastet an diesem Tag“ oder „irgendeine Arbeit tut“ „wird aus seinem Volk ausgerottet werden“ (3. Mose 23,27-32).

Ein Tag des Gebetes

Gesetzestreue Juden verbringen den ganzen Tag betend in der Synagoge in ein weißes Bußgewand gehüllt, das später einmal ihr Totengewand werden wird. Am Nachmittag wird das Buch Jona verlesen, in dem berichtet wird, wie die Einwohner der Großstadt Ninive auf die Gerichtsankündigung des Propheten mit Buße reagierten. Gott ließ sich umstimmen. Ninive wurde nicht vernichtet. Außerdem wird an diesem Tag der Verstorbenen gedacht.

Nach jüdischer Tradition wird am Großen Versöhnungstag das Schicksal für das kommende Jahr besiegelt. Deshalb grüßt man sich mit „Gmar Chatimah Tovah“, was frei übersetzt heißt: „Mögest Du zum Guten eingeschrieben und versiegelt sein!“ „Das große, weiße Fasten“, wie dieser heiligste Tag des Judentums auch genannt wird, endet am Mittwoch bei Sonnenuntergang mit dem urwüchsigen Klang des Schofar-Horns.

Bild: Jüdische Männer beim Selichot-Gebet um Vergebung. Es wird traditionell vor Yom Kippur gesprochen. Foto: David Cohen / Flash90

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