Jerusalem will Palästinenser-Flüchtlingshilfswerk los werden
von Ulrich W. Sahm und Tommy Mueller
JERUSALEM, 07.10.2018 – Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat (58) hat einen detaillierten Plan vorgestellt, um das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinenser (UNRWA) aus der Hauptstadt zu verbannen. Er will die bisherigen Angebote der umstrittenen Einrichtung durch städtische Dienste ersetzen. Barkat wirft dem Flüchtlingshilfswerk illegale Aktivitäten sowie Hetze gegen Israel vor.
Seit 1965 kümmert sich UNRWA um rund 20.000 palästinensische „Flüchtlinge“ im Shuafat-Lager. Diese Menschen leben tatsächlich in Jerusalem, fast alle besitzen israelische Personalausweise und haben Anspruch auf die Versicherungs-, Bildungs- und Gesundheitsdienste des Staates Israel und der Stadt Jerusalem. Dennoch betreibt UNRWA im Osten Jerusalems eigene Schulen und Kliniken. Der Bürgermeister wies nun darauf hin, dass sie ohne israelischen Lizenz und damit unrechtmäßig tätig seien. Ihre Angebote seien qualitativ schlechter als jene der Stadtverwaltung. Die UNRWA-Schulen werden immer wieder kritisiert, weil sie im Unterricht die Rechtmäßigkeit des jüdischen Staates in Frage stellen und gegen Juden hetzen.
Barkat: „Flüchtlings-Propaganda“
Likud-Politiker Barkat, Stadtoberhaupt seit 2008, hält das palästinensische „Flüchtlingsproblem“ für Propaganda, die von den Vereinten Nationen gefördert wird. So gelten bei UNRWA – weltweit einmalig – sogar die Enkel von Flüchtlingen als Flüchtlinge. Das „Recht auf Rückkehr“ für Millionen für Palästinenser hätte das Ende Israels zur Folge. Kritiker werfen UNRWA zudem vor, nicht an einer Lösung des Flüchtlingsproblems interessiert zu sein und die Integration von Palästinensern in die israelische Gesellschaft zu erschweren. UNRWA beschäftigt fast 30.000 Menschen, fast ausschließlich Palästinenser.
Ende August 2018 kündigten die USA ihren vollständigen Rückzug aus der UNRWA-Finanzierung an. Daraufhin erhöhten die europäischen Staaten ihre Zuschüsse an das Hilfswerk. Die israelische Armee warnte vor einer drastischen Verschlechterung der humanitären Lage im Gazastreifen als Folge der UNRWA-Finanzkrise, was zu weiteren Radikalisierungen und Terroranschlägen führen könne. Das Flüchtlingshilfswerk war jedoch in der Vergangenheit wegen enger Kontakte zur radikalislamischen Hamas auch von der Armee scharf kritisiert worden.
„UNRWA ist überflüssig“
In Jerusalem ist UNRWA nach Ansicht des Bürgermeisters schlicht überflüssig. In sieben UNRWA-Schulen würden 1800 Schüler zu Gewalt und Terror aufgestachelt. In den vergangenen Jahren hätten die Einwohner von Shuafat ernsthafte Bedenken über das unzureichende Bildungsniveau dieser Schulen geäußert und dazu aufgerufen, in Schulen der Stadt Jerusalem zu wechseln, so Barkat. Die UNRWA-Kliniken in der Altstadt und im Lager Shuafat arbeiteten ohne Genehmigung des Gesundheitsministeriums und seien damit illegal. Die Stadt Jerusalem werde nun Schließungsanordnungen für die medizinischen Zentren der UNRWA erlassen und die Patienten in Zentren in unmittelbarer Nähe aufnehmen. Gleichzeitig wird die Stadt die Enteignung oder Vermietung der UNRWA-Klinikgebäude vorantreiben. Im Sozialbereich – im Lager Shuafat und in Kufr Aqeb – gibt es derzeit UNRWA-Zentren für Sport, Frauen, Bedürftige und Berufsausbildung. Im Rahmen des Barkat-Programms bleiben diese Einrichtungen bestehen und werden von den Sozial- und Arbeitsmarktdiensten der Stadtverwaltung übernommen.
Auch Abfallentsorgung und Abwasserinfrastruktur liegen derzeit in der Verantwortung der UNRWA. Bewohner im Osten Jerusalems beklagen sich seit Jahren über die schlechten Reinigungsdienste, und dass die alte Abwasser- und Entwässerungsinfrastruktur nicht ordnungsgemäß instand gehalten wird. Im Rahmen des Barkat-Plans wird die Verantwortung für diese Bereiche auf die Stadt Jerusalem übertragen. Das UNRWA-Hauptquartier auf dem Ammunition Hill will der Bürgermeister schließen und das Land beschlagnahmen lassen. Barkat: „Es gibt hier keine Flüchtlinge, nur Einwohner Jerusalems, die alle Dienstleistungen der Stadt Jerusalem erhalten, wie jeder andere jüdische oder arabische Bürger unserer Stadt.“
Bild: Die UNRWA-Schulen stehen in der Kritik. Geht es nach Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat, werden die Bildungseinrichtungen des Palästinenser-Flüchtlingshilfswerkes in der Hauptstadt geschlossen. Foto: Tommy Mueller / Fokus Jerusalem