zurück zu Aktuelles

Heftiger Streit um Corona-Politik – Jetzt soll das Militär helfen

JERUSALEM, 07.09.2020 (TM) – Nachdem die israelische Regierung die Ausbreitung des Coronavirus nicht in den Griff bekommt, soll nun ein massiver Militäreinsatz helfen. Tausende Soldaten werden in die 40 „roten Städte“ mit hoher Infektionsrate in ganz Israel geschickt. Das kündigte heute Verteidigungsminister Benny Gantz an. Er besuchte Kfar Kassem, eine arabische Ortschaft mit großen Corona-Problemen.

„Wir sind nicht gekommen, um zu bestrafen, wir sind gekommen, um zusammenzuarbeiten“, unterstrich der stellvertretende Regierungschef. „Ich hoffe, dass die Bewohner kooperativ sind, Disziplin und Verantwortung zeigen und die Richtlinien einhalten – insbesondere bei Veranstaltungen, bei denen es am wahrscheinlichsten ist, dass sie infiziert werden. Ich sage allen: Es ist unmöglich, reguläre Hochzeiten zu feiern.“ In den vergangenen Tagen hatte es Berichte über nicht genehmigte arabische Hochzeiten mit rund 500 Gästen gegeben. Welche Aufgaben die Soldaten konkret übernehmen sollen, blieb unklar.

Nächtliche Ausgangssperren verschoben

Währenddessen wird die Kritik am Zick-Zack-Kurs der Regierung in Jerusalem immer lauter. Das Gesundheitsministerium hat am Abend bestätigt, dass die angekündigten nächtlichen Ausgangssperren heute nun doch nicht verhängt werden. Es habe Meinungsverschiedenheiten mit den Bürgermeistern der 40 betroffenen Kommunen gegeben. Nun sollen die Ausgangssperren von Dienstagabend an gelten.

Liberman fordert zum Ungehorsam auf

Der Vorsitzende der Partei Israel Beyteinu, Avigdor Liberman, hat die Israelis nachdrücklich aufgefordert, die Gesundheitsvorschriften der Regierung nicht zu beachten. „Die Regeln sind illegal, befolgen Sie sie nicht, sondern verwenden Sie den gesunden Menschenverstand“, erklärte der frühere Verteidigungsminister laut hebräischen Medienberichten.

„Liberman spielt mit dem Feuer“, entgegnete Gesundheitsminister Yuli Edelstein. Er beschuldigte den Oppositionspolitiker, „rücksichtslos und verantwortungslos zu handeln und eine fragile gesundheitliche und wirtschaftliche Situation auszunutzen.“ Kritik kam auch von Staatspräsident Reuven Rivlin: „Forderungen nach zivilem Ungehorsam schaden den Grundsätzen, die unser Wohlergehen und das Wohlergehen der gesamten Öffentlichkeit gewährleisten, insbesondere während Krisen.“ Rivlin forderte die Anführer von Opposition und Koalition dazu auf, vorsichtig mit ihren Aussagen zu sein.

Fordert zivilen Ungehorsam: Avigdor Liberman. Foto: Sraya Diamant/Flash90

Corona-Manager entschuldigt sich

Wie angespannt die Situation ist und wie blank die Nerven bei den Verantwortlichen liegen, zeigt ein weiterer Vorgang: Der oberste Coronavirus-Manager Israels, Professor Ronni Gamzu, musste sich heute bei dem ultraorthodoxen Rabbiner Chaim Kanievsky entschuldigen. Kanievsky hatte angeblich seine ultraorthodoxen Studenten aufgefordert, sie sollten sich nicht auf das Coronavirus testen lassen, weil Quarantäne ihr Thorastudium beeinträchtige. Das führte zu einer Rüge von Gamzu, der warnte, dass der Rabbi die öffentliche Gesundheit gefährde. Die ultraorthodoxe Gemeinschaft reagierte aufgebracht und aggressiv auf die öffentliche Kritik an dem Rabbiner. Nun ruderte Gamzu zurück und sprach von einem Missverständnis.

Die Regierung Netanjahu ist auf die Stimmen der ultraorthodoxen Abgeordneten angewiesen. Die sind der Auffassung, die Strenggläubigen würden benachteiligt und als Gefährder der öffentlichen Gesundheit stigmatisiert (Fokus Jerusalem berichtete).

Bild oben: Einem ultraorthodoxen Mann wird in Modi‘in Illit ein Abstrich für einen Coronavirus-Test entnommen. Foto: Yossi Aloni / Flash 90

Weitere News aus dem Heiligen Land