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Massenproteste gegen Netanjahu in ganz Israel

JERUSALEM, 04.10.2020 (TM) – Zehntausende Israelis haben am Samstagabend gegen Ministerpräsident „Bibi“ Netanjahu und seine Politik demonstriert. Nach Angaben der Gruppe „Schwarze Flaggen“, die die Proteste organisiert, nahmen landesweit über 100.000 Menschen teil – so viele wie noch nie zuvor. An mehreren Orten kam es zu Konflikten mit der Polizei. Allein in Tel Aviv wurden 38 Menschen festgenommen, wegen „Störung der öffentlichen Ordnung und Angriffen auf Polizeibeamte.“

Versammlungsregeln nicht beachtet

Es gab auch Gegendemonstranten, die sich den Netanjahu-Gegnern in den Weg stellten. Bei Handgreiflichkeiten wurden mehrere Beteiligte so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. Zeugen berichteten von Platzwunden und Knochenbrüchen. 

Die meisten Demonstranten trugen Masken. Die Polizei berichtete aber auch von Aktivisten, die absichtlich gegen die Vorschriften verstießen: „Viele Demonstranten haben die Ordnung gestört, Straßen blockiert, die Anweisungen der Beamten ignoriert und zu körperlicher und verbaler Gewalt gegriffen. Eine große Mehrheit hat offen gegen die Notfall-Bestimmungen verstoßen, als sie sich ohne Distanzierung versammelten, keine Masken trugen und so die öffentliche Gesundheit gefährdeten. “

Gerangel zwischen Polizisten und Demonstranten in Tel Aviv. Foto: Miriam Alster/Flash90

Das israelische Parlament hatte in der vergangenen Woche neue Regeln für Demonstrationen verabschiedet. Demnach dürfen Israelis vorerst nur noch im Umkreis von einem Kilometer zu ihrer Wohnung protestieren. Dabei dürfen sich nur Gruppen von höchstens 20 Personen versammeln. Die verschiedenen Gruppen müssen untereinander Abstand halten. Diese Vorschriften wurden in der Nacht zum Sonntag vielerorts ignoriert.

Klagen über Polizeigewalt

Demonstranten beklagten, dass die Polizei übermäßige Gewalt angewendet habe. Filmmaterial zeigt, wie Demonstranten geschubst oder geschlagen werden. Der Abgeordnete Ofer Shelah von der Oppositionspartei Yesh Atid forderte eine Untersuchung der Vorfälle. Die Polizei habe eine rote Linie überschritten. Sie unterstütze Netanjahu bei seinem Kampf gegen Demonstranten. Shelah forderte die Protestierer auf, keine Strafen zu bezahlen: „Zieht vor Gericht. Wir werden sehen, dass Tausende von Demonstranten vor Gericht ziehen. Ich und jeder ehrlich gewählte Vertreter der Öffentlichkeit werden da sein, um für Euch zu kämpfen.“ 

Anarchistische Kriminelle“

Ganz anders beurteilte der Abgeordnete Bezalel Smotrich von der rechten Yamina-Partei die Situation. Der frühere Verkehrsminister erklärte, die Demonstranten seien „anarchistische Kriminelle, die das Gesetz und die demokratischen Entscheidungen nicht mögen. Sie sind eine gewalttätige und arrogante Minderheit, die sich daran gewöhnt hat, sich als Herren des Landes zu fühlen, die über dem Gesetz und über der Demokratie stehen.“

Nicht nur Demonstranten waren am Wochenende im Fokus der Polizei. Seit Beginn des Sukkot-Festes am Freitagabend verteilen die Ordnungshüter über 7000 Strafmandate. 5.171 Israelis entfernten sich ohne wichtigen Grund mehr als 1000 Meter von ihrer Wohnung: 1.415 Personen wurden ohne Maske erwischt; 98 verließen ihre Isolation; 209 hatten sich in einer fremden Laubhütte aufgehalten. Ein Paar wurde laut Polizei für „Sex am Strand“ bestraft.

Bild: Die Pferdestaffel der Polizei war bei der Massendemonstration auf dem Habima-Platz in Tel Aviv in der Nacht zum Sonntag im Einsatz. Foto: Miriam Alster / Flash 90

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