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Lapid hält neue Regierung innerhalb einer Woche für möglich

JERUSALEM, 06.05.2021 (TM) –Der bisherige israelische Oppositionsführer Yair Lapid (57) will innerhalb einer Woche eine neue Regierung bilden. Er hat von Staatspräsident Reuven Rivlin das Mandat dazu erhalten, nachdem Amtsinhaber Benjamin Netanjahu (71) mit der Regierungsbildung gescheitert ist. Lapid arbeitet eng mit dem Chef der konservativen Yamina-Partei, dem früheren Verteidigungsminister Naftali Bennett (49), zusammen. Bennett soll zuerst Ministerpräsident werden, bevor ihn Lapid dann in der zweiten Hälfte der Amtszeit ablöst.

Bündnis gegen Netanjahu

Lapid bemüht sich um ein breites Bündnis von linken, arabischen und rechtskonservativen Parteien. So unterschiedlich ihre politischen Ansichten auch sind, es eint sie der Wunsch, Netanjahu abzusetzen. Der steht seit 2009 ununterbrochen an der Spitze der Regierung. Bei den jüngsten Wahlen gewann er mit seiner Likud-Partei aber nur 30 von 120 Knesset-Sitzen.

In einer im Fernsehen übertragenen Erklärung aus seiner Residenz in Jerusalem erläuterte Präsident Rivlin, seine Hauptüberlegung bei der Auswahl von Lapid sei gewesen, dass dieser die besten Chancen habe, eine Regierung zu bilden. Ihm sei bewusst, dass das schwierig sei. Rivlin hatte zuvor die Parteien dazu aufgerufen, kompromissbereit zu sein und sich zu einigen, um die fünften Parlamentswahlen innerhalb von zwei Jahren zu vermeiden. Die ständigen Wahlen führten zu Politikverdrossenheit und gefährdeten die Demokratie.

Lapid hat politische Erfahrung. Der Sohn des früheren Justizministers Tommy Lapid wurde als Fernsehmoderator bekannt. 2013/2014 war er unter Netanjahu Finanzminister. Nun steht er vor der Hürde, Sozialisten und National-Konservative unter einen Hut zu bringen. Die Ablösung Netanjahus kann nur gelingen, wenn Lapid auch die islamistische Ra‘am-Partei davon überzeugt, für seine neue „Einheitsregierung“ zu stimmen. Der Ra‘am-Vorsitzende Mansour Abbas hat zu erkennen gegeben, dass ihn Ideologien wenig interessieren – er werde denjenigen Ministerpräsidenten unterstützen, der den arabischen Israelis am meisten biete.

Erster Abweichler äußert sich

Einigen Abgeordneten der siedlerfreundlichen Yamina-Partei erscheint eine Koalition mit den Arabern als Zumutung. Erster Abweichler ist Amichai Chikli. Der Yamina-Abgeordnete hat bekräftigt, er halte nichts von einer Einheitsregierung unter dem Vorsitz seines eigenen Parteiführers Bennett. Er werde gegen eine solche Koalition stimmen, wenn sie offiziell vorgeschlagen würde.

In einer Situation, in der möglicherweise ein oder zwei Stimmen über die Mehrheit entscheiden, ist das ein herber Rückschlag für das Duo Lapid-Bennett.

Dass Lapid bei den Verhandlungen Druck macht und aufs Tempo drängt, hat noch einen anderen Grund: Hinter den Kulissen versucht Regierungschef Netanjahu alles, um Lapids Koalitionsgespräche zu sabotieren. Angeblich verspricht er Abtrünnigen aus dem gegnerischen Lager sogar Ministerposten, wenn sie zum Likud überlaufen. Die Schlacht um die Macht ist in vollem Gange, der Ausgang ist ungewiss.

Bild: Oppositionsführer Yair Lapid auf dem Weg zum Präsidenten – und auf dem Weg an die Macht? Foto: Olivier Fitoussi / Flash 90

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