Corona-Comeback in Israel: Der Impfweltmeister auf der Probe
JERUSALEM, 06.07.2021 (DK) – Seit Monaten herrscht in Israel Gelassenheit. In den belebten Metropolen des Landes scheint die Zeit der Pandemie um Jahre zurückzuliegen. Die Menschen haben ihren Alltag wieder aufgenommen. Doch nachdem sich die Anzahl der täglichen Neuinfektionen mit dem Coronavirus innerhalb von einer Woche verdoppelte, machen sich wieder die ersten Sorgen breit. Die Meinungen von Experten gehen hinsichtlich der neuen Entwicklung weit auseinander. Während viele sich auf die de-facto Herdenimmunität im Staat verlassen, fürchten andere die Delta-Variante könnte die Pfizer-Impfung umgehen. Noch sprechen die Fakten nicht klar für eine der beiden Seiten. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen ist zwar vergleichsweise immer noch gering, aber unter den Erkrankten befinden sich auch einige Geimpfte. Die Regierung geht die Sache vorsichtig an und schränkt die Bevölkerung erstmal nur in geringfügigem Maße wieder ein. In einer Hinsicht sind sich Experten und Politik jedoch einig: Bei der Ein- und Ausreise sollen die Zügel wieder angezogen werden.
Milde Verläufe und wenige Todesfälle
Israel verzeichnet derzeit täglich rund 300 neue Fälle. Mit insgesamt über 2000 Corona-Erkrankten im Land sind die Zahlen so hoch wie seit April nicht mehr. Obwohl die Inzidenzwerte klar in die Höhe schnellen, steht die Politik vor einer schwierigen Entscheidung. Es ist nicht gesichert, dass auch die Morbiditätsrate wieder drastisch ansteigen wird. Von den über 50-Jährigen sind schließlich über 80% inzwischen geimpft. Das Virus verbreitet sich vor allem unter Kindern und Jugendlichen, von denen ein Großteil noch keine Impfung erhalten hat. Die Zahl der schwerwiegenden Fälle ist dementsprechend aber vergleichsweise gering. Zudem haben die Monate von Lockdowns und Einschränkungen der israelischen Wirtschaft stark zugesetzt. Viele Branchen haben sich von dem schwierigeren vergangenen Jahr noch nicht erholt. Es bleibt demnach unklar, ob es sich lohnt, ein weiteres Mal hart durchzugreifen.
Die Welt schaut auf Israel: Wie effektiv ist die Impfkampagne?
Doch wie lange wird der Impf-Schutzwall in der Bevölkerung gegen die aggressive Delta-Variante halten? Diese Frage stellt sich nicht allein der jüdische Staat, sondern auch die Weltgemeinschaft. Genau wie zu Beginn der globalen Impfkampagne ist Israel wieder einmal Versuchskaninchen. Das Gesundheitsministerium veröffentlichte bereits die ersten Daten, laut derer die Impfung den Verlauf der Krankheit bei den meisten Menschen bedeutsam abmildert. Allerdings schirmt die Impfung nicht komplett vor einer Ansteckung ab. Israel liebäugelt Medienberichten zufolge bereits mit einer dritten Impfdosis, um besonders verletzliche Bevölkerungsgruppen zu schützen. Auf lange Zeit gesehen würde den Staat dies weniger kosten, als wieder die Ladentüren schließen zu lassen.
Regierung sucht nach neuen Möglichkeiten zur Eindämmung
Trotz dem Hoffnungsschimmer will die neue Regierung der neuen Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Oppositionsführer Benjamin Netanjahu hat Premierminister Naftali Bennett und seine Koalitionspartner dazu aufgerufen, zu handeln, bevor es zu spät ist. Netanjahu sagte in einem von ihm im Netz veröffentlichten Video: „Aus Gesprächen, die ich mit einigen der Top-Experten der Welt geführt habe, glaube ich, dass die dritte Impfung ab August an die Bevölkerung über 50 verabreicht werden sollte.“
Bislang sind die Maßnahmen zur Eindämmung milde ausgefallen. In Innenräumen gilt wieder Maskenpflicht. Wer in Israels Großstädten durch die Läden bummelt, stellt jedoch schnell fest, dass sich kaum an die neue Regelung gehalten wird. Am Dienstag trifft sich das Corona-Kabinett unter anderem um die Überwachung bestehender Quarantäne-Regelungen zu verstärken. Auch die Wiedereinführung des „Grünen Passes“ für Geimpfte und Genesene steht auf dem Plan. Da vor allem Rückkehrer für die Ausbreitung der Delta-Variante verantwortlich gemacht werden, erwartet man strengere Regelungen bezüglich der Ein- und Ausreise. So könnten auch Geimpfte sich bald wieder einer zweiwöchigen Quarantäne nach ihrer Ankunft in der Heimat unterziehen müssen.
Bild: Ein Mann wird nach seiner Einreise am Flughafen getestet. Quelle: Avshalom Sassoni/Flash90