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Ein schlafender Wächter: Schwere Sicherheitsfehler führen zu Ausbruch aus israelischer Haftanstalt

JENIN, 08.09.21 (DK) – Die Gilboa-Haftanstalt gilt als eines der sichersten Gefängnisse in Israel. Schwerverbrecher, wie etwa verurteilte Terroristen, sind in den Zellen der großen Anlage im Norden des Landes untergebracht. Seit sechs palästinensische Terroristen vor nunmehr zwei Tagen erfolgreich durch einen unterirdischen Tunnel flohen, kommen immer mehr Mängel im Sicherheitssystem ans Licht, die den Insassen das Entkommen ermöglichten. Die israelische Gefängnisverwaltung und die Polizei haben sich jetzt unangenehmen Fragen zu stellen. Noch bewegen sich die Täter auf freiem Fuß und es gibt keine Spur von ihnen. Drei mögliche Gehilfen bei der Flucht hat die Polizei in angrenzenden arabischen Dörfern jedoch bereits festgenommen. 

Gefängnis-Pläne für jedermann im Internet zugänglich 

Auch international hat der filmreife Ausbruch durch den Tunnel unter dem Waschbecken der Gemeinschaftszelle Schlagzeilen gemacht. Die Häftlinge nutzten eine strukturelle Schwachstelle des Gefängnisses aus und mussten somit nicht einmal selbst einen langen Tunnel graben. Nun haben die Sicherheitskräfte entsetzt festgestellt, dass die Gefängnis-Pläne für jedermann im Netz verfügbar sind und die Insassen somit von einem Kontakt aus der Außenwelt leicht Schwachstellen in Erfahrung bringen konnten. Vermutlich haben die sechs Männer sogar noch mehr Hilfe von außen erhalten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass regelmäßig Handys in das Gefängnis geschmuggelt werden. Obwohl die Behörden Mittel und Wege besitzen, um alle Telefonate zu blockieren, tun sie dies nicht aus Angst vor einem Hungerstreik oder einer Gefängnisrevolte. Dies ermöglichte den Häftlingen die Flucht: Dank einem Kontaktmann stand nur drei Kilometer von dem Gefängnis entfernt ein Auto bereit, mit dem ein Teil der Gruppe in unbekannte Richtung entkam. 

Tunnel endet direkt unter Gefängnis-Wachturm – doch Wächter schläft 

Der härteste Schlag für das Image der Sicherheitsbehörden ist jedoch die Tatsache, dass das Ende des Tunnels sich direkt unter einem Wachturm des Gefängnisses befunden hat. Der zuständige Wächter sei während seiner Schicht eingeschlafen. Auch der örtlichen Polizei unterlief ein gewaltiger Patzer: Um zwei Uhr morgens benachrichtigte ein Taxifahrer die Behörden über maskierte Männer an einer Tankstelle unweit des Gefängnisses. Als offiziell vermisst wurden die Insassen aber erst im vier Uhr morgens gemeldet. 

Protokolle der Haftanstalt sind in der vergangenen Zeit immer häufiger vernachlässigt worden. Beispielsweise sollen Männer, die derselben Terrororganisation angehören, nicht in gemeinsamen Zellen untergebracht werden. Fünf Mitglieder des Islamischen Dschihad teilten sich jedoch das Zimmer, das zum Schauplatz der Flucht wurde. Am Tag vor dem Ausbruch beantragte der ehemalige Anführer der Al-Aksa Märtyrer-Brigade, Zakaria Zubeidi, in besagte Zelle verlegt zu werden. Dies wurde genehmigt, offenbar ohne Verdacht zu wecken. 

Ähnlicher Fluchtversuch vor sieben Jahren gescheitert 

Im Jahr 2014 war bereits ein ähnlicher Fluchtversuch vereitelt worden. Der Tunnel im Badezimmer wurde entdeckt, bevor die Gefangenen entkamen. Umso schockierender ist es, dass die Terroristen nun auf dem selben Weg entkommen konnten. Nach der Flucht sind 400 Insassen in ein andere Gefängnisse verlegt worden, um vorerst Trittbrettfahrern den Wind aus den Segeln zu nehmen. 

Bild: Israelische Sicherheitskräfte auf der Suche nach den palästinensischen Terroristen, die aus dem Gilboa-Gefängnis ausgebrochen sind. Quelle: Nati Shohat/ Flash90    

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