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Irrungen, Wirrungen: Israel öffnet wieder seine Grenzen und weitet Impfkampagne aus

JERUSALEM, 04.01.2021 (DK) – In Israel macht sich die Corona-Mutante Omikron breit. Doch die Politik gibt keinen klaren Kurs zu ihrer Bekämpfung vor. Experten streiten sich über die möglichen Auswirkungen der raschen Ausbreitung und über die zu ergreifenden Maßnahmen. Bei seiner Ankündigung der Viertimpfung für über 60-Jährige und immungeschwächte Menschen, warnte Regierungschef Naftali Bennett, dass Israel schon bald 50.000 tägliche Neuinfektionen sehen könnte. Gesundheitsminister Nitzan Horowitz, ein Mitglied von Bennetts Kabinett, verurteilte die Aussage als “unnötiges apokalyptisches Szenario, das jeder Grundlage entbehrt”. Auch über die Maßnahmen für das Bildungssystem, Quarantäne-Regelungen für Geimpfte und eine mögliche Herdenimmunität wird gestritten. Der Minister für öffentliche Sicherheit, Omer Bar-Lev brachte es mit seiner Kritik auf den Punkt. “Wir verwirren die Öffentlichkeit”, erklärte er. “Ich muss jeden Tag viermal über neue Maßnahmen abstimmen.”

Impfmüdigkeit macht sich unter Israelis breit

Mit der ersten erfolgreichen Impfkampagne und der frühen Verabreichung des Boosters hat Israel sich den Namen “Impfweltmeister” verdient. Während man in Europa noch auf die Lieferung von Dosen wartete, hatte im jüdischen Staat bereits ein Hauptteil der Bevölkerung die erste Spritze erhalten. Doch inzwischen ist von Impfmüdigkeit die Rede. Bereits die dritte Spritze ist nur noch von 4,3 von insgesamt fast 9,5 Millionen Israelis angenommen worden. Nur noch 60 Prozent gelten als vollständig geimpft. Bennett hat am Sonntag angekündigt, dass die vierte Impfung ab sofort für Patienten mit Immunschwäche, medizinisches Personal und alle Menschen über 60 Jahren verfügbar ist. Ob das Angebot wahrgenommen wird, bleibt abzuwarten. Indessen ist das Gesundheitssystem zunehmend überfordert. Zwar steht die Zahl der schwer erkrankten Corona-Patienten derzeit bei nur 108, aber die Grippe geht ebenfalls um und in Israel herrscht eine Testnot. Wer einen Testtermin ergattert, muss oft lange auf die Ergebnisse warten.

Herdenimmunität steht nicht auf dem Plan

Die hochansteckende, jedoch weniger aggressive Omikron-Variante hat weltweit zu Spekulationen über eine mögliche Herdenimmunität geführt. In den israelischen Medien kursierten vergangene Woche zahlreiche Berichte, dass die Regierung in Jerusalem auf eine schnelle Verbreitung von Omikron setze, ohne strenge Gegenmaßnahmen einzuführen. Experten des Gertner-Instituts und Wissenschaftler der Technion-Universität legten dem Gesundheitsministerium extreme Szenarien vor, die eine Ansteckung von 99% der Bevölkerung vorhersahen. Der Corona-Beauftragte der Knesset, Salman Zarka, bestritt jedoch, dass auf die Ansteckung möglichst vieler Menschen gesetzt werde. „Wir verfolgen keine Politik der Masseninfektion. Die Herdenimmunität hat keine wissenschaftliche Grundlage“, so Zarka bei einer Pressekonferenz. „Wir stehen derzeit vor einer Welle, bei der die Delta-Variante noch aktiv ist, an der viele Krankenhaus-Patienten erkrankt sind.“

Bestimmungen zur Einreise von Touristen werden wieder gelockert

Trotz des massiven Anstieg täglicher Ansteckungen – allein am Montag verzeichnete das Land rund 6500 Neuinfektionen – will Israel seine Grenzen für geimpfte Touristen aus sogenannten “orangenen” Ländern wieder öffnen. Dazu zählt Deutschland, nicht aber die Schweiz. Der Premierminister erklärte, wenn es in Israel bereits Zehntausende Fälle gebe, seien weitere 50 Infektionen bei Reisenden aus dem Ausland “bedeutungslos”. Obwohl Bennett und sein Kabinett wirtschaftliche Schließungen soweit wie möglich umgehen wollten, hat die Tourismusbranche auch im vergangenen Jahr wieder stark gelitten. Im November waren die Grenzen für geimpfte Individualtouristen kurz geöffnet worden. Seitdem war die Einreise für Ausländer wieder verboten. Am Sonntag soll sich diese Regelung für Touristen aus Ländern mit niedrigen Infektionsraten wieder ändern. 

Bild: Ein Senior erhält in Aschkelon seine vierte Impfung gegen das Coronavirus. Foto: Flash 90

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