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Die Schatten-Pandemie: Immer mehr Israelis leiden an psychischen Erkrankungen

JERUSALEM, 23.01.2022 (DK) – Wer hat es in den vergangenen zwei Jahren nicht einmal erlebt – ob in Quarantäne oder während eines nationalen Lockdowns, Menschen haben sich ein ums andere Mal isolieren müssen und einsam gefühlt. Umso schwerer wirkten sich die staatlichen Einschränkungen auf Menschen mit psychischen Vorbelastungen aus. Israelische Psychologen und Sozialarbeiter warnen nun, dass die Zahl der gemeldeten Menschen mit psychischen Krankheiten seit Anfang 2020 stark zugenommen hat. Inzwischen sind die Wartelisten so lange geworden, dass es zwischen eineinhalb und zwei Jahren dauert bis die Behandlung von Bedürftigen in Anspruch genommen werden kann. Während Israel Millionen während der Coronakrise in sein Gesundheitssystem investiert hat, blieben die Zuschüsse an Kliniken für psychologische Behandlungen und Therapiezentren aus.

Politische Reform für psychologische Behandlungen scheitert

Dabei ist der soziale und psychotherapeutische Dienstleistungssektor in Israel ohnehin bereits seit Jahrzehnten überlastet. Vor sechs Jahren wurde mit viel Beifall eine Reform verabschiedet, die kürzere Wartezeiten und mehr Angebot versprach. Doch das Geld war nie an die relevanten Bereiche weiter geleitet worden und die notwendigen Pläne zur Verbesserung der Situation warten noch immer auf Zustimmung des Gesundheitsministeriums. Inzwischen geben viele Patienten ihren Platz auf der Liste auf, bevor sie die entsprechende Behandlung erhalten – für Suizidgefährdete oder Magersüchtige sind die zwei Jahre Wartezeit lebensbedrohlich.

Die israelische Stiftung „Enosh“ für psychische Beschwerden hat kürzlich eine Statistik veröffentlicht, die die Ernsthaftigkeit der Lage offen legt. Nach ihren Angaben sind im vergangenen Jahr 21 % mehr Anrufe bei Beratungsstellen für psychische Gesundheit eingegangen und
27 % mehr Teenager und junge Menschen haben sich mit schweren psychischen Problemen an die Stiftung gewandt. Ein noch erschreckendes Bild malen die veröffentlichten Zahlen hinsichtlich der zunehmenden Fälle häuslicher Gewalt. Im Jahr 2020, gerade zur Zeit der Lockdowns und Ausgangssperren, stieg die Anzahl der eingereichten Beschwerden um 315 Prozent. Nachdem diese Fakten ans Licht kamen, richtete die Regierung allerdings einen Fond von umgerechnet 44 Millionen Euro ein, um künftigen Gewaltdelikten im Familienumfeld vorzubeugen.

Finanzielle Not und Unsicherheit triggern psychische Beschwerden

Für viele Israelis wurde der Verlust ihrer Lebensgrundlage während der Coronakrise zum maßgeblichen Auslöser psychischer Beschwerden. In der ersten Phase der Pandemie lag die Arbeitslosenquote in Israel bei fast 25%. Viele kleine Geschäfte haben die langen Schließungen nicht überlebt. Inzwischen finden sich nur noch rund 6% der Bevölkerung ohne Beschäftigung. Doch noch ist die letzte Hürde nicht genommen. Während die fünfte Welle im Land noch immer um sich greift, sehen sich die Geschäfte aufgrund ausfallender Arbeitskräfte vor der nächsten Hersusforderung. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen stand am Freitag bei einem Rekordwert von rund 70.000. Berichten in den israelischen Medien zufolge erwartet das Gesundheitsministerium jedoch einen Rückgang dieser Zahlen ab nächster Woche.

Bild: Fotographische Illustration zum Thema Depression. Quelle: Yossi Zamir/FLASH90

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